Marx zu Obamas Gesundheitsreform

Für die Proteste gegen Obamas Gesundheitsreform ist diese meist Kommunismus und Faschismus in einem.

Die Gesundheitsreform von Obama ist verfassungskonform. Das hat der Oberste Gerichtshof in den USA entschieden. Karl Marx würde die Entscheidung wohl wie folgt kommentieren:

»Was könnte die kapitalistische Produktionsweise besser charakterisieren als die Notwendigkeit, ihr durch Zwangsgesetz von Staats wegen die einfachsten Reinlichkeits- und Gesundheitsvorrichtungen aufzuherrschen!« (KI, 505)

Ein Brief an Raul Zelik

Vor ein paar Tagen ist der Schriftsteller und Politautor Raul Zelik in die Linkspartei eingetreten. Der Schritt hat eine Debatte über das Verhältnis von unabhängigen Linken und der Partei angestoßen – unter anderem bei Lafontaines Linke. Anne Roth fragt sich, wie es gelingen soll, diese Partei, in der gleich mehrere Flügel quasi mit Gewalt jede Veränderung bekämpfen, von innen zu ändern, nur weil der Vorstand gewechselt hat. Thomas Seibert sieht nach dem Göttinger Parteitag für die Linkspartei bessere Chancen, über ihr bisheriges Milieu hinaus attraktiv zu werden – will aber lieber im Rahmen der Mosaiklinken und nicht als Mitglied die Zusammenarbeit fortsetzen. Ich habe zu dieser Debatte einen weiteren Gastbeitrag beigesteuert: Continue reading “Ein Brief an Raul Zelik”

Modernisierung statt Meuterei

»Ich kann vor allen Dingen die ganzen asozialen Leute nicht mehr hören, die immer sagen: Ja, wieso … diese Künstler … das sind doch sowieso alles Nutten, wenn sie es für Geld machen!«

So wütete im März 2012 dieses Jahres der Element-of-Crime-Sänger Sven Regener im Bayrischen Rundfunk. Eigentlich wollte der Sender nur ein kurzes Statement zum Urheberrecht einholen – und traf einen Nerv.

Weiterlesen zu Regener, Tatort-AutorInnen und den Piraten als Katalysatoren der aktuellen Urheberrechtsdebatte in ak 573

FAQ. Noch Fragen? Arbeitshypothese Grexit

Was bisher nur für eine Drohkulisse gehalten wurde, um Griechenland auf (deutsche) Linie zu bringen, scheint inzwischen bevorzustehen: der Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Es herrscht eine paradoxe Situation: Ein Ausstieg aus dem Euro ist rechtlich bisher nicht geregelt. Griechenland könnte nur zur Drachme zurückkehren, indem es die Europäische Union (EU) verlässt. Das will in Griechenland kaum jemand. Die Mehrheit spricht sich für einen Verbleib in der Eurozone aus. Selbst der Vorsitzende des zum Schreckgespenst aufgebauten Linksbündnisses SYRIZA, Alexis Tsipras, macht immer wieder deutlich, dass sein Bündnis nicht aus der Eurozone aussteigen will.

Bei der gegenwärtigen Debatte zeigt sich erneut die disziplinierende Politik gegenüber Griechenland, das Versuchsfeld und Exempel zugleich ist. Die Troika will nicht erlauben, dass Athen vom Sparkurs abrückt. Denn wenn gegenüber Athen Kompromisse bei der Sparpolitik zugelassen würden, gäbe es kaum einen Grund, warum nicht auch Spanien, Portugal oder andere Länder vom eingeschlagenen Sparkurs abweichen können sollten. Insofern wird ein Verlassen Griechenlands der Eurozone immer wahrscheinlicher. Aber wie könnte das aussehen? Continue reading “FAQ. Noch Fragen? Arbeitshypothese Grexit”

In Memoriam an die Kritikerin der Mainstream-Ökonomie Elinor Ostrom

Die Ökonomin Elinor Ostrom ist im Alter von 78 Jahren gestorben‎. Sie ist die bisher erste und einzige Frau, die den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt.

Sabine Nuss schrieb in ak – analyse & kritik, dass sie »auf diesem Planeten … ein Glücksfall« ist. In Memoriam an die Kritikerin der Mainstream-Ökonomie, die nur staatliche oder Marktlösungen kennen, sei deshalb nochmals an Nuss’ kritische Würdigung hingewiesen:

»Wie kriegen drei FDPler eine Glühbirne reingedreht?« Antwort: »Gar nicht. Das regelt der Markt.« Elinor Ostrom würde über diesen Witz wahrscheinlich herzlich lachen.

Weiterlesen: »Knietief in der VWL. Trotzdem kann die Linke von Elinor Ostrom lernen«.

Griechenland: Euro-Austritt oder nicht – ist das die Frage?

Am 17. Juni wird in Griechenland gewählt. Was bis vor ein paar Monaten noch fast undenkbar war, wird derzeit offen diskutiert: der Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Auch wenn aus Brüssel derzeit Verhandlungsbereitschaft gezeigt wird.

In der Frage, ob Griechenland den Euro aufgeben soll oder nicht, ist selbst die griechische Linke gespalten. Einen erhellenden Beitrag zu dieser Frage war in den letzten beiden Ausgabe des express zu finden. Inzwischen sind beide Teile online:

Christos Laskos, John Milios und Euclid Tsakalotos über kommunistische Dilemmata in der Euro-Krise: Austreten oder nicht? (Teil I, Teil II)

Geld hat Athen wohl noch bis zum 20. Juli, so das Handelsblatt. Über den Sommer kommt es damit nicht.

Debt and Punishment. A critical review of David Graeber’s ›debt‹. The book is missing an analysis of capitalism

The last few years of crisis politics were a prime example of how on the one hand profits are privatized, while on the other hand losses are socialized. The deep crisis of capitalism has left in its wake a sovereign debt crisis. The answer of the political class has been fiscal consolidation. Finance capital’s claims on returns are guaranteed and collected by the state. The invisible hand of the market is joined by the visible fist of the state. Struggles over state finances will be central battlefields in the next few years.

That is no doubt the reason why the publication of David Graeber’s book Debt: The First 5,000 Years was greeted with euphoria, even by the bourgeois press. In the Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Frank Schirrmacher wrote that Graeber »opens the reader’s eyes to what’s going on right now,« and furthermore, »Graeber’s text is a revelation, since one is no longer forced to react to the system itself within the system of apparent economic rationality.« Der Spiegel opines: »his book on the nature of debt and its economic and moral basis is already regarded as an anti-capitalist standard work of the new social movements which have emerged during the world economic crisis.« This is in reference to the Occupy protests. Even the chief economist of the Deutsche Bank group reviewed Graber’s book positively in the monthly economic policy journal Wirtschaftsdienst (4/2012) with regard to the question of the future of central banking. Since May 2012, the book has been available in a German edition. Continue reading “Debt and Punishment. A critical review of David Graeber’s ›debt‹. The book is missing an analysis of capitalism”

Libero Zufall

Heute beginnt die Fußballeuropameisterschaft der Männer. Vor ein paar Jahren konnte Paul Orientierung geben, inzwischen die ökonomische Zunft, die, als hätte sie aus einer der tiefsten Krisen des Kapitalismus gelernt, Folgendes zu bedenken gibt:

Beim Fußball im Allgemeinen und bei einem Turnier wie der Europameisterschaft im Besonderen sei nämlich die Bedeutung des Zufalls nicht zu unterschätzen

So WissenschaftlerInnen von der FU Berlin und dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer Pressemitteilung zu einer Studie zum Ausgang des Turniers.

Quengelware Graeber

Inzwischen hat David Graebers Schulden-Buch Stéphane Hessels »Empört euch!« an den Kassen der Buchläden verdrängt. In den Zeitungsredaktionen wurde es inzwischen meist nicht nur ein Mal besprochen. Im Cicero ist ebenso eine Rezension zu finden wie in Die Welt und dem Handelsblatt. Gleich mehrfach widmete sich der öffentliche Rundfunk seinem Buch  (Deutschlandradio Kultur, Deutschlandfunk).

Eine kluge Besprechung von Tania Martini findet sich in der taz.

David Graeber hat auf seiner Europareise auch viele Interviews gegeben. Nicht nur ntv und Deutschlandradio Kultur, sondern auch scharf links dokumentiert ein Gespräch. Interessant ist eine Diskussion mit Harvey über Occupy von April. Weniger spannend hingegen verlief das Treffen bei OpenOccupy in Berlin, wo er auch zu Occupy und Repression  interviewt wurde.

Graebers Buch ist wie eine Bombe eingeschlagen – vor allem in Deutschland. Laut Graeber ist das Original seit Juli 2011 60.000 Mal verkauft worden. Von der deutschen Übersetzung gingen in der ersten Woche bereits 30.000 Exemplare über den Ladentisch.

In Marburg hat sich ein Lesekreis gegründet, der Graebers Buch diskutieren will. Worüber sich andere natürlich empören müssen, was zu einer Retourkutsche herausfordert.

Meine ak-Besprechung und der Nachtrag, sozusagen der Fußnotenapparat, laden nach wie vor zur Debatte ein.