Aufgeblättert: Katz und Maus

Günter Grass’ Novelle »Katz und Maus« erschien 1961. Sechs Jahre später kam Hansjürgen Pohlands Verfilmung in die Kinos, die besser als die literarische Vorlage ist – und provokativer. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Franz-Josef Strauß wollte den Film verbieten: Dieser verunglimpfe die Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger und sei eine »sittlich verwerfliche Form der Darstellung hoher Tapferkeitssymbole«. Das Bundesinnenministerium verlangte Fördergelder zurück. Das Ritterkreuz war ein von Hitler gestifteter Orden. Seine Träger wurden während des Nationalsozialismus als Helden verehrt. Enno Stahl hat in seinem Büchlein die Geschichte des Films und die Auseinandersetzungen um ihn rekonstruiert. Hierfür hat er auch den Briefwechsel zwischen Grass, Schauspielern und Regisseur sowie Archivmaterial und die Presse gesichtet. Das Buch bietet einen Einblick in die Kulturproduktion im postfaschistischen Deutschland vor 1968. Eine DVD-Edition des Films ist in Vorbereitung. Was fehlt, ist eine Auseinandersetzung mit Sexualität und Männlichkeit. Spätestens seit Klaus Theweleit ist bekannt, dass es hierbei einen Zusammenhang zum NS-Faschismus gibt – auch in der kulturellen Verarbeitung nach 1945. In »Katz und Maus« trägt die Hauptfigur das Ritterkreuz aus Scham über seinen großen Adamsapfel, und die Protagonisten veranstalten eine Art Onanierolympiade, eine Szene, die Pohland erheblich kürzt.

Ingo Stützle

Enno Stahl: Für die Katz und wider die Maus. Pohlands Film nach Grass. Verbrecher Verlag, Berlin 2012. 128 Seiten, 14 EUR.

Erschienen in: ak – analyse & kritik. zeitung für linke debatte und praxis, Nr. 571 vom 20.4.2012