Aufgeblättert: Griechenland, die Krise und der Euro

Andreas Wehr ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der linken Fraktion GUE/NGL im Europäischen Parlament und Koordinator für Wirtschaft und Währung. Der Euro, die europäische Währung, geriet 2010 unter Druck. Sinnbildlich dafür steht die Finanzkrise Griechenlands, der sich Wehr in seinem neuen Buch widmet. Verantwortlich für die Euro-Krise ist nicht zuletzt Deutschlands exportorientiertes Wirtschaftsmodell. Wehr weist zu Recht auf die andere Seite der Medaille hin: Deutsche Banken kauften im Gegenzug zu den exportierten Waren Finanzschrott aus den USA. Auch wenn Wehrs Rückgriff auf die Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus problematisch ist, liegt er mit seinem Punkt richtig: Die Finanzblase, die 2008 platzte, ist zwar in den USA gewachsen, war aber nur aufgrund der bekannten Praxis deutscher Geschäfts- und Landesbanken möglich. Die Folgen sind bekannt: Die Finanzkrise stürzte die EU und auch den Euro in eine tiefe Krise. Wehr stellt kurz die Finanzkrisen in Lettland, Island, Spanien dar und diskutiert ausführlicher den “Fall Griechenland”. Er beschreibt auch die disziplinierende Politik von IWF und EU und zeigt den eigentlichen Grund der Finanzkrise 2.0: Europäische Banken haben nicht nur in den US-Immobilienmarkt investiert, sondern auch die europäischen Staaten mit Krediten versorgt. Der Rettungsschirm und die Hilfen für Griechenland zielten vor allem auf die Rettung der Vermögen großer europäischer Banken. Dass es mit der internationalen Solidarität nicht weit her ist, zeigt Wehr anhand der Diskussionen in Deutschland. Die rassistische Hetze gegen “die Griechen” spiegelt sich in einer zunehmenden Abkehr der deutschen ökonomischen und politischen Elite von Europa: “Ein bedingungsloses Ja zu Europa ist nicht länger Staatsräson.” Insgesamt ein lesenswertes Buch zum Euro-Krisenjahr 2010 und sicherlich auch 2011 nicht überholt.

Ingo Stützle

Andreas Wehr: Griechenland, die Krise und der Euro. Papyrossa Verlag, Köln 2010. 154 Seiten, 12,90 EUR

Erschienen in:  ak – analyse & kritik. zeitung für linke debatte und praxis, Nr. 557 vom 21.1.2011

Siehe auch die Debatte zwischen Andreas Wehr und Alexis Passadakis im Neuen Deutschland zur Streitfrage: Braucht Euro-Land eine Wirtschaftsregierung?