Mein Name ist Bond – Euro-Bond

2010 war das Jahr der Euro-Krise. Es war auch das Jahr der Vorschläge, wie mit dieser umzugehen ist. Bereits im Mai wurde ein Rettungsschirm beschlossen. Griechenland stand vor dem Bankrott und die EU-Staaten mussten einen Weg finden, eine weitere Destabilisierung der Euro-Zone zu verhindern. Zeitgleich wurde im Mai ein “Tabubruch” beschlossen, der in den USA, Großbritannien und Japan gängige Praxis ist: Der Europäischen Zentralbank (EZB) wurde erlaubt, Staatsanleihen auf den Finanzmärkten anzukaufen. Die EZB wird damit zum “Buyer of last resort” (Käufer in letzter Instanz). Das soll ihr eine Stabilisierung der Kurse ermöglichen.

Bei dieser EZB-Praxis befürchten viele orthodoxe ÖkonomInnen Inflation. Auch deshalb wurde die Maßnahme mit dem Auftrag flankiert, die Geldmenge durch andere Geldgeschäfte zu neutralisieren. Jedoch ist nicht nur die Panik vor Inflation unberechtigt, auch war die EZB beim Aufkauf von Staatsanleihen nicht übermäßig aktiv: Seit Mai 2010 kaufte sie Anleihen in einem Umfang von 67 Mrd. Euro. In der letzten Novemberwoche, auf dem Höhepunkt der Irlandkrise, ca. 1,3 Mrd. Euro. Die US-Notenbank FED hatte bereits Anfang 2009 Staatsanleihen für 300 Mrd. US-Dollar angekauft. Anfang Dezember 2010 kündigte sie an, weitere Anleihen im Umfang von 600 Mrd. US-Dollar anzukaufen.

Continue reading “Mein Name ist Bond – Euro-Bond”

Soll das alles sinnlos gewesen sein? Peter O. Chotjewitz ist tot

Mit Anfang 20 habe ich mich das erste Mal journalistisch versucht – mit einem Interview mit Peter O. Chotjewitz. Ich wunderte mich damals sehr, wie jemand wie Pit freiwillig in Stuttgart leben konnte. Ich trat ein Jahr später die Flucht an. Pits letzter Roman (Mein Freund Klaus) schloss den Kreis zu Stuttgart wieder und erklärte mir einiges. Meine Besprechung erschien fast zehn Jahre nach unserem ersten Zusammentreffen.

Gestern ist er nach schwerer Krankheit gestorben.

Selbst in einem seiner letzten Texte konnte sich Pit nicht verkneifen, auch mit seiner Krebskrankheit und dem spürbaren Ende in gewohnter Weise umzugehen – mit Witz.

Er wird uns fehlen.

http://www.freie-radios.net/mp3/20091001-ambestenst-30051.mp3

Nachrufe: Jan Süselbeck in der taz; Irene Ferchl in der Stuttgarter Zeitung; Sebastian Hammelehle spiegel-online; Jürgen Verdofsky in der FR; ver.di BaWü; ofenschlot

Karlspreis für Trichet oder: Eine Verkehrung in der Hosentasche

Spiegel-online meldet:

»Rettet den Euro! Das ist die Botschaft des Karlspreises 2011. Geehrt wird einer der größten Kämpfer für die Gemeinschaftswährung: EZB-Präsident Trichet. Nach Ansicht der Jury ist er eine Symbolfigur für den Zusammenhalt der Währungsunion«

Bereits vor acht Jahren bekam der Euro den Karlspreis. In der Begründung zur Verleihung hieß es 2002:

»Wenn die Menschen an der Algarve und in Dublin, in der Bretagne und im Burgenland, in Lappland und auf Sizilien – um nur einige Regionen zu nennen – in der gleichen Währung zahlen, dann werden sie Europa wortwörtlich als bare Münze in der Tasche mit sich tragen, dann werden sie buchstäblich mit den Händen greifen können, dass Europa eine gewachsene Gemeinschaft und der Euro ein Symbol hierfür ist. Der Euro ist die überzeugendste, pragmatischste Lösung auf dem Weg zur europäischen Gemeinsamkeit seit mehr als 1200 Jahren.«

Wir tragen also Europa im Portmonai? Ja, nur eben in versachlichter Form und als Verkehrung eines gesellschaftlichen Verhältnisses. Geld ist nämlich nicht »die überzeugendste, pragmatischste Lösung auf dem Weg zur europäischen Gemeinsamkeit«, sondern ein sachlicher Ausdruck warenproduzierender Arbeit. Bei dieser stellt sich der gesellschaftliche Charakter von Arbeit erst im Nachhinein heraus – über das Geld. Deshalb ist der Euro Ausdruck spezifisch kapitalistischer Vergesellschaftung:

Den Privatproduzenten »erscheinen daher die gesellschaftlichen Beziehungen ihrer Privatarbeiten als das, was sie sind, d.h. nicht als unmittelbar gesellschaftliche Verhältnisse der Personen in ihren Arbeiten selbst, sondern vielmehr als sachliche Verhältnisse der Personen und gesellschaftliche Verhältnisse der Sachen.« (Marx)

Und weil die Metapher mit der Hosentasche so schön ist und um zu zegen, wie nah Ideologie und kapitalistische Realität beeinander liegen, soll auch noch der Marx’ der Grundrisse (1857) zu Wort kommen:

»Die wechselseitige und allseitige Abhängigkeit der gegeneinander gleichgültigen Individuen bildet ihren gesellschaftlichen Zusammenhang. Dieser gesellschaftliche Zusammenhang ist ausgedrückt im Tauschwert, worin für jedes Individuum seine eigne Tätigkeit oder sein Produkt erst eine Tätigkeit und ein Produkt für es wird; es muß ein allgemeines Produkt produzieren – den Tauschwert oder, diesen für sich isoliert, individualisiert, Geld. Andrerseits die Macht, die jedes Individuum über die Tätigkeit der andren oder über die gesellschaftlichen Reichtümer ausübt, besteht in ihm als dem Eigner von Tauschwerten, von Geld. Es trägt seine gesellschaftliche Macht, wie seinen Zusammenhang mit der Gesellschaft in der Tasche mit sich.«

Die Verleihung des Karlspreises macht vor allem eines deutlich: Das Kapital lesen!