Die RAF, Buback und unser aller liebster Rechtsstaat

—Aus gegebenem Anlass nochmals ein Kommentar, den ich vor über einem Jahr unter freitag.de publizierte (er wurde, soweit ich weiß, auch abgedruckt)—

Michael Buback äußert in einem Interview wenige Tage vor der Verhaftung von Verena Becker in der Sendung Kulturzeit bei 3Sat (21.8.09) die Hoffnung, dass es zu einem Prozess gegen sie kommt. Buback: »Und zwar zu einem Prozess bei dem tatsächlich eine Person vor Gericht steht die an den Anschlägen und dem Anschlag unmittelbar beteiligt war. Die merkwürdige Situation oder groteske Situation bislang war ja, dass Menschen angeklagt wurden, die eben nicht auf diesem Motorrad waren, zumindest muss ich mit höchster Wahrscheinlichkeit davon ausgehen.«

Der Sohn des damals ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback äußert schon länger das Bedürfnis, dass er gerne wissen würde, wer seinen Vater erschossen hat. Was Michael Buback nicht sagt und auch nicht besonders skandalös findet ist, dass drei Personen als Täter verurteilt wurden (Christian Klar, Knut Folkerts und Brigitte Mohnhaupt). Das ist zumindest auch irgendwie: grotesk.

Zur Erinnerung: Die Verurteilung von Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar 1985 zu jeweils fünf Mal lebenslänglich plus 15 Jahre machte einzig und alleine in Verbindung mit Aussagen von Kronzeugen die »Kollektivitätsthese« der Bundesanwaltschaft auf Grundlage des §129a StGB möglich, nach der sämtliche Aktionen der RAF von allen Mitgliedern nach Konsensprinzip diskutiert und gemeinsam durchgeführt worden sein sollen.

Nach konkreten Tatnachweisen sucht man in dem Verfahren vergeblich. So etwa konnte im Fall Buback der eigentliche Todesschütze nicht ermittelt werden, »jedoch ›wie bei der RAF üblich‹, so die Bundesanwaltschaft, wurden die Aktionen der RAF ›gemeinsam erörtert, gemeinsam durchgeführt‹, allerdings ›in der bei der RAF charakteristischen Form der Arbeitsteilung‹.« (taz, 14.3.85)

Zu Christians Klar angeblicher Beteiligung an der Buback-Aktion kam das bemerkenswerte Ermittlungsergebnis zu Stande, dass er entweder Fahrer oder Beifahrer des Motorrads gewesen sei, von dem aus Buback erschossen worden war, er hätte aber auch den Wagen gesteuert haben können, mit dem die Täter geflüchtet sind. Und zum Beweis der Tatsache, dass Christian Klar den Audi 100 gekauft haben soll, in dem Schleyer tot aufgefunden wurde, diente der BAW die Äußerung eines Autoverkäufers: »Danach konnte der Verkäufer Christian Klar ›nicht als Käufer identifizieren, aber auch nicht als Käufer ausschließen‹.« (taz, 15.3.85)

Die Verhaftung von Verena Becker zeigt ein weiteres Mal, dass die Geschichte der RAF noch lange nicht abgeschlossen ist. Weder für den Staat, die Linke und eigentlich auch nicht für all diejenigen, die den Rechtsstaat für eine nicht all zu dumme Einrichtung halten. Aber vor allem letztere sind in der gegenwärtigen Auseinandersetzung mal wieder nicht zu hören. Von den systematischen Rechtsbrüchen in den RAF-Prozessen, die der Rechtswissenschaftler Uwe Wesel zu den »dunkelsten Kapiteln der bundesrepublikanischen Rechtsgeschichte« zählt (FR, 26.1.07), will angesichts der scheinbar allgegenwärtigen Gefahr von internationalem Terrorismus niemand etwas hören. Nur in den USA, da sollen CIA-Agenten bitteschön aufgrund ihrer Verstrickung in Folter strafrechtlich verfolgt werden.