Export und Krise – aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Gestern hatte ich Paul Krugman als Sprachrohr einer keynesianistischen Interpretation der gegenwärtigen ökonomischen Konstellation angeführt. Von Keynes kann man durchaus etwas lernen, aber eine an Marx orientierte Kritik und Keynes’ Theorie ergänzen sich eben nicht einfach, wie viele zu glauben meinen (vgl. hier).

»Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel.« (Marx 1848) Foto: CC-Lizenz, Patrick Q.

Bereits in Keynes Allgemeiner Theorie ist zu dem von Krugman angesprochenen Problem zu lesen:

»Wenn aber die Nationen lernen können, sich durch ihre Inlandpolitik Vollbeschäftigung zu verschaffen …, braucht es keine wichtigen wirtschaftlichen Kräfte zu geben, die bestimmt sind, das Interesse eines Landes demjenigen seiner Nachbarn entgegenzusetzen. … Internationaler Handel würde aufhören das zu sein, was er ist, nämlich ein verzweifeltes Mittel, um die Beschäftigung im Inland durch das Aufzwingen von Verkäufen in fremden Märkten und die Einschränkung von Käufen aufrechtzuerhalten, der, wenn er erfolgreich ist, lediglich das Problem der Arbeitslosigkeit auf den Nachbarn schiebt, der im Kampf unterliegt« (Keynes 1936, 322f.).

Dem kann man eine Antwort von Michael Heinrich aus einem Interview im aktuellen ak 541 entgegen halten:

»Zunächst mal: Wir leben immer noch im Kapitalismus, egal, ob man das nun ›unsere Wirtschaft‹, ›soziale Marktwirtschaft‹ oder sonst wie nennt. Und der Kapitalismus ist krisenhaft. Es gibt einerseits einen systemischen Druck, Produktion und Produktivität zu erhöhen und andererseits Kosten zu senken. Die Löhne sollen also möglichst niedrig sein und Investitionen nur in die am meisten Profit versprechenden Anlagen gesteckt werden. Gesamtwirtschaftlich bedeutet dies aber, dass über kurz oder lang die gesamtgesellschaftliche Nachfrage mit dem steigenden Angebot nicht mehr mithalten kann. Durch verstärkten Export kann das Problem eine Weile aufgeschoben werden, nur sieht es in den anderen Ländern im Prinzip nicht anders aus, und irgendwann zeigt sich, dass zu viel produziert worden ist – nicht gemessen an den Bedürfnissen der Menschen, von denen immer noch Millionen verhungern, sondern gemessen an einer möglichst hohen Kapitalverwertung, und dann haben wir eine Krise.«

Aufgeschoben ist eben nicht aufgehoben – das lernt man in Marx’ Kapital. Keynes Vorstellung eines klug gesteuert Kapitalismus ist eine Illusion und die nächste Krise kommt bestimmt (vgl. Heinrich im ND, 13.3.09). Egal ob man wie Deutschland auf Export setzt oder wie die USA auf  Binnennachfrage.

In Deutschland wird die an Keynes orientierte Illusion derzeit im programmatisch betitelten Buch »Der gute Kapitalismus« von Sebastian Dullien, Hansjörg Herr und Christian Kellermann vertreten. Sabine Nuss hat hierzu in der neuen Ausgabe der Zeitschrit Luxemburg eine gute Kritik mit dem Titel »Gebrauchsanleitungs-Kapitalismus« veröffentlich.