Pathologische Kampflosigkeit. Ein neues Buch über die sich polarisierende deutsche Klassengesellschaft

Sigmund Freud und seine rote Couch wären der deutschen Arbeiterklasse durchaus hilfreich

Die taz-Journalistin Ulrike Herrmann hat ein Buch über den Selbstbetrug der Mittelschicht geschrieben. Genauer: Sie porträtiert die deutsche Klassengesellschaft, zeigt, wie sich die Elite hierzulande reproduziert, und analysiert die Steuern als Umverteilungsmaschine von unten nach oben. Eine wichtige Korrektur des Mainstreams in Zeiten der Krise, wenn auch die politische Bewertung der deutschen Zustände etwas kritischer ausfallen müsste.

Die Deutschen haben eine verwirrte Selbstwahrnehmung. Reiche fühlen sich ärmer, Arme oft reicher – und die Mittelschicht wähnt sich der Elite ganz nah. Für Herrmann ein Grund, sich Statistiken genauer anzuschauen; dabei stellt sie fest, dass viele Statistiken nichts taugen, weil der Zugriff auf Vermögensverhältnisse oft schwierig ist und in manchen Erhebungen Einkommen ab einer gewissen Höhe erst gar nicht berücksichtigt werden. Im Verlauf des Buchs wird deutlich, dass sich dahinter eine Form der Umverteilungspolitik verbirgt. Datenerhebung ist immer auch Kontrolle. Kontrolliert werden sollen aber die Tagediebe und nicht die dicken Brieftaschen. Continue reading “Pathologische Kampflosigkeit. Ein neues Buch über die sich polarisierende deutsche Klassengesellschaft”