Eigentlich recht simpel: gemästet, nicht geschröpft

Eigentlich recht simpel: Kassiert der Staat von den Vermögenden keine Steuern, muss er sich bei ihnen Geld leihen. In Form von Staatsanleihen, für die er dann  Zinsen zahlen muss. Die Vermögen werden also nicht geschröpft, sondern gemästet. Auch wenn die Gegenüberstellung von Thomas Fricke etwas vereinfachend ist, so sagen die Balken doch einiges aus. Nämlich: Kassiert der Staat von den Vermögenden keine Steuern, muss er sich bei ihnen Geld leihen. In Form von Staatsanleihen, für die er dann Zinsen zahlen muss. Die Vermögen werden also nicht geschröpft, sondern gemästet.

Foto: CC-Lizenz, alancleaver

Schulden, nichts als Schulden

Das aktuelle Wochenthema im freitag sind die angespannten Staatsfinanzen in Euroland. Wieder einmal wird Heiner Flassbeck interviewt. Zu seinen bisherigen Beiträgen und Interviews kommt wenig Neues hinzu. Richtig sind einige Punkte trotzdem. Jens Renner geht auf Italien und Michael R. Krätke auf Griechenland ein. Zu letzterem schrieb bereits mehrmals Andreas Wehr (u.a. junge welt v. 18.2.10). Im aktuellen ak widme auch ich Griechenland einen Beitrag. Japan nahm vor einigen Wochen der wirtschaftquerschuss unter die Lupe. Die Krise der Staatsfinanzen in den osteuropäischen Staaten und Österreich verhandelte ich bereits in ak 537. Hinzuweisen ist auch auf die Beiträge von Tomasz Konicz, der sich auch dem Thema widmet. Etwas grundsäzlicher wird es in meinem Aufsatz »Staatsverschuldung als Kategorie der Kritik der politischen Ökonomie. Eine Forschungsnotiz«.

Neue Texte von Krahl zugänglich

In der neuen Ausgabe des digger journal finden sich bisher unveröffentlichte Texte von Hans-Jürgen Krahl. Helmut Reinicke und Hermann Kocyba haben diesen nicht nur einführende Texte zur Seite gestellt.

Krahl wurde vor fast genau 30 Jahren beerdigt (20. Februar 1970). Er war bei einem Autounfall ums Leben gekommen und neben Rudi Dutschke einer der wichtigsten Aktivisten des SDS. Während sich Dutschke vor allem in Berlin die Kehle heiser schrie, tummelte sich Krahl in Frankfurt. Legendär ist seine Rede »Angaben zur Person«, die er 1969 anlässlich eines Gerichtsprozesses wegen Rädelsführerei hielt. Diese wurde 2006 verfilmt, die Textsammlung »Konstitution und Klassenkampf« wurde vor zwei Jahren neu aufgelegt.

Anmaßung ist nicht immer schlecht

Für den aktuellen ak habe ich mit Thomas Seibert über das Institut Solidarische Moderne (ISM) gesprochen.

»Gesellschaftlich relevante Debatten haben immer schon auch in kleinen Kreisen angefangen. Entschieden werden sie stets anderswo, manchmal eben auf der Straße. Auf letzteres hoffe ich, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Gelingt das Institut, wird es mittendrin seinen Platz finden – was definitiv nicht heißt: in einer Position der Mitte.«

Das komplette Interview mit Bewegungstheoretiker Seibert, Aktivist bei der Interventionistischen Linken und einer der Sprecher des Instituts Solidarische Moderne findet sich hier.

Aufgeblättert: Staat und Krise

Die gegenwärtige Krise des Kapitalismus ist auch eine Krise des Staates bzw. neoliberaler Politik. Der seit Jahrzehnten propagierte Rückzug des Staates blamierte sich angesichts des Crashs. Mehr noch: Ohne die massiven Staatshilfen und -interventionen und Verstaatlichungen wäre der Kapitalismus vielleicht schon Geschichte. Das neue Widerspruch-Heft widmet sich dem Verhältnis von Staat und Krise in elf Beiträgen. Während Elmar Altvater die Chancen eines ökologischen Keynesianismus vor dem Hintergrund des gegenwärtig herrschenden “staatsgetriebenen Kapitalismus” diskutiert, zeigt Hans-Jürgen Bieling die Brüche und Kontinuitäten des markliberalen Diskurses. Ihm zufolge wird die gegenwärtige Staatsintervention innerhalb der politischen Klassen als eine Art “Ausnahmezustand” verstanden und nicht als Bruch mit neoliberaler Politik. Henning Melber behandelt Staatenbildung in Afrika vor dem Hintergrund der krisenhaften Globalisierung. Birgit Sauer diskutiert die Relevanz der Geschlechterverhältnisse angesichts der scheinbaren “Rückkehr des Staates”. Andere Aufsätze verhandeln die mit dem Crash einhergehende Krise der Staatsfinanzen und populistische Vorstöße à la Peter Sloterdijk, der den Steuer- und Sozialstaat am liebsten zugunsten eines freiwilligen Abgabe- und Almosensystems ganz abschaffen würde. Auch strategische Debatten werden in dem Heft geführt. Neben der Frage, welche Risse im Neoliberalismus alternative Strategien ermöglichen, geht es auch um gewerkschaftliche Gegenwehr und Fragen der Wirtschaftsdemokratie. Außerhalb des Schwerpunkts wird die seit mehreren Nummern geführte Debatte um Kapital-Lektüre und Marx fortgesetzt. Im aktuellen Heft stellt Max Henninger den von Karl Heinz Roth und Marcel van der Linden herausgegebenen Sammelband “Über Marx hinaus” vor.

Ingo Stützle

Widerspruch. Beiträge zu sozialistischer Politik, Nr. 57, Heft 2, 2009, 16 EUR

Erschienen in: ak – analyse & kritik – zeitung für linke Debatte und Praxis, Nr. 547 vom 19.2.2010

Ein Pleitekandidat in der fünften Jahreszeit. Griechenland hat vor allem Probleme mit Deutschland und der EU

Ist der Euro keine müde Mark mehr wert?

Der Zusammenbruch von Lehman Brothers im September 2008 machte die gegenwärtige Krise des Kapitalismus offensichtlich. Mit der Spekulation über einen möglichen Staatsbankrott Griechenlands und anderer Staaten sowie einer möglichen Implosion der europäischen Währungsunion (EWU) hat die Krise einen neuen Höhepunkt erreicht. “Griechenland steht vor dem Bankrott” war Anfang 2010 die Schlagzeile der internationalen Wirtschaftspresse. Deutlich wird aber vor allem der neoliberale Charakter der europäischen Krisendeutung und -politik. Continue reading “Ein Pleitekandidat in der fünften Jahreszeit. Griechenland hat vor allem Probleme mit Deutschland und der EU”

Arbeiten gefährdet ihre Gesundheit

Laut dem aktuellen Gesundheitsreport der DAK leidet jedeR zweite Lohnabhängige an Schlafstörungen. Ein wesentlicher Grund: Der Stress des Kapitalismus und die Wirtschaftskrise. Bereits 2009 berichtete die Böcklerstiftung, dass »Abstiegsängste […] die Mittelschicht erreicht« habe (Böckler-Impuls 19/2009). Die auf Leistung ausgelegte Unternehmensführung führt bei einem Viertel der Beschäftigten zu mehr körperlichem und bei 80 Prozent zu mehr psychischem Stress. Der Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte warnt inzwischen davor, dass die steigenden Zahl psychischer Erkrankungen die Arbeitsmedizin »vor erhebliche Herausforderungen stellt«. Es sieht also ganz danach aus, dass auch diejenigen, die die ArbeiterInnen von den ganzen geundheitlichen Folgen von Stress und Konkurrenzdruck rehabilitieren sollen, selbst total im Stress untergehen werden. Und das alles nur aufgrund der Tatsache, möglichst schnell wegrennen zu müssen (siehe hier). Diese Pointe des Witzes hat Kenneth Rogoff, der ehemalige Chefökonom des IWF, in seiner gestrigen Witzstunde in der financial times deutschland (8.2.10) weggelassen.

Lauf’ um Dein Leben oder stirb

Kenneth Rogoff, der ehemalige Chefökonom des IWF, hat in der financial times deutschland (8.2.10) Griechenlands Staatschulden kommentiert. Rogoff fühlt sich an den Staatsbankrott von Argentinien vor zehn Jahren erinnert. Interessant ist aber weniger dieser Vergleich als ein Gleichnis auf die kapitalistische Konkurrenz, dass er den LeserInnen als Witz verkaufen möchte.

Da ist der alte Witz von den zwei Männern, die nach einem Flugzeugabsturz im Dschungel von einem Löwen umkreist werden. Als der eine beginnt, seine Turnschuhe anzuziehen, fragt der andere, warum er dies tue. Er antwortet: “Ich mach mich fertig, um wegzurennen.” “Aber du wirst nicht schneller sein als der Löwe”, sagt der andere. Darauf der eine: “Ich muss nicht schneller laufen als der Löwe, nur schneller als du.”

Ein Witz ist es, wenn zumindest eineR lacht.

Riccardo Bellofiore: Magdoff-Sweezy and Minsky on the Real Subsumption of Labour to Finance

Bei der Analyse der gegenwärtigen Krise wurde oft auf Thesen des Post-Keynesianers Hyman Minsky zurückgeriffen. Auf Minsky greifen auch viele an Marx orientierte WissenschaftlerInnen zurück. Nicht zuletzt deshalb, weil Marx’ Ausführungen zu monetären Phänomenen und Krisen spärlich sind – auch wenn mehr zu holen ist, als die marxistische Debatte verrät. Diese ist nämlich arg auf die scheinbar »reale« Dimension von Akkumulation und Krise fixiert. Eine der wenigen, die schon früh auf die zunehmende Bedeutung der Finanzmärkte aufmerksam machten waren Harry Magdoff und Paul Sweezy (»Stagnation and the Financial Explosion«, 1987). Nun diskutiert Riccardo Bellofiore, der bereits zu Anfang der Krise einen sehr guten Text publiziert hatte (»Ein Minsky-Moment?«), beide theoretische Zugriffe. Der Text »Magdoff-Sweezy and Minsky on the Real Subsumption of Labour to Finance« erscheint im Samelband »Minsky, Financial Development and Crises« (hgg. von D. Tavasci und J. Toporowski, Palgrave 2010), ist aber bereits als pdf-Datei verfügbar.

Beim Eurofighter drückt Berlin ein Auge zu

Nach einem Bericht von german foreign policy drückt die deutsche Bundesregierung bei der Anschaffung von Rüstungsgüter ein Auge zu. Obwohl Griechenland sparen soll, bis es quietscht, soll es eben immer noch knallen können.

Griechenland soll Kampfflieger vom Typ Eurofighter kaufen, die von einem Rüstungskonsortium mit Sitz in Hallbergmoos (Bayern) hergestellt werden. Deutsche Bemühungen, das teure Militärflugzeug auch an Kunden im Ausland zu verkaufen und damit die Gewinne der kerneuropäischen Rüstungsindustrie zu erhöhen, hatten in den vergangenen Jahren bereits zu heftigen Auseinandersetzungen geführt […]. Zu Wochenbeginn verlangte der deutsche Außenminister bei einem Besuch in Athen, die dortige Regierung solle sich ungeachtet ihrer akuten Finanznot für den Eurofighter entscheiden.

Beim Militär und deutschen Arbeitsplätzen hört die Sparorgie auf

Das ist nicht das erste Mal, dass Militärausgaben plötzlich ganz andere öffentliche Ausgaben sind. Schließlich sind nicht alle Staatsaufgaben gleich. Manche sind eben gleicher. So waren sich die Verteidigungsminister Italiens, Frankreichs und Deutschlands sich auch in der Vergangenheit einmal darüber einig, dass die Rüstungsaufwendungen bei der Kontrolle der Maastrichter Kriterien herausgerechnet werden sollten (vgl. FR, 20.5.2003, Der Freitag. Nr. 44 v.o 25.10.2002). Durchsetzen konnten sich die Kriegsminister bisher nicht. Aber zumindest den Vertrag von Lissabon haben sie auf ihrer Seite. Dort ist schließlich eine Verpflichtung festgeschrieben, die die Mitgliedstaaten verpflichtet, »ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern« (Art. 27, 3).

Foto: CC-Lizenz, icatus

Herkulesaufgabe kreative Buchführung

Statistikämter als moderne Hexenküchen für Alchemisten

Die EU nimmt Griechenland unter ihre Fitiche. Aber einen Preis für Kreatitivität hätte Griechenland auch verdient: 2006 hatte sich das griechische Staatsdefizit durch eine verbesserte Wirtschaftsleistung deutlich verringert. Die plötzlichen ökonomischen Superkräfte rührten daher, dass die viel sprechenden Branchen Rauschgifthandel, Geldwäsche, Zigarettenschmuggel und Prostitution bei der statitsichen Erhebung des BIPs berücksichtigt wurden. Eine Sprecherin von Währungskommissar Almunia zeigte sich damals über die 25% zusätzliche Wirtschaftsleistung verwundert. Schon damals wollte europäische Statistikbehörde Eurostat Einsicht in die Wunderwerkstatt des griechischen Statistikamtes haben. Athen beschwichtigte: Die nun berücksichtigte Schattenwirtschaft sei nicht wesentlich ausschlaggebend für das statistische Wunder. Und es stimmt. Eurostat musste eingestehe, so die FAZ, dass die Schwierigkeiten »jenseits der statistischen Sphäre« liege. Das angedeutete Jenseits zwischen Gut und Böse beschreibt der Artikel »Meister kreativer Buchführung« aus der FAZ ganz… fürsorglich.