Die Grenze des erträglichen taz-Kommentars

Christian Jakob spricht in seinem heutigen taz-Kommentar zu den Protesten in Kopenhagen von einem »fatalen Zirkelschluss« der Dynamik von Polizei und ProtestiererInnen und suggeriert, dass es politisch vernünftig wäre, sich nicht zu radikalisieren. Ganz so als liege es in der Macht der DemonstrantInnen und Klimaaktivis…tInnen, die Repressionsschraube zurückzudrehen oder das Eskalationsniveau effektiv zu beeinflussen. An Jakobs Kommentar sind zwei Punkte mehr als ärgerlich. Zum einen ist spätestens nach den Vorfällen im Vorfeld von Heiligendamm klar, dass sowohl Falsch- und Fehlermeldungen, als auch eine gezielte Panikmache systematisch dazu genutzt werden, dass die Polizeikräfte möglichst viele Kompetenzen zugesprochen und Grundrechte abgebaut werden – zumindest temporär. Oft herrscht bei derartigen Veranstaltung etwas, was man einen temporärer Ausnahmezustand nennen könnte. Wer erinnert sich schon daran, dass die Durchsuchungswelle und 129a-Verfahren gegen die linken G8-GegnerInnen als illegal erklärt wurden?! Das in einem taz-Kommentar nicht zu benennen ist fahrlässig und und zeigt, wie selbst die taz teil dieser Strategie ist. Aber ein weiterer Punkt ist fast noch ärgerlicher. Jakob schreibt: »Trotzdem ist es falsch, von Unverhältnismäßigkeit zu sprechen. Denn die Zahl der Festnahmen ist keine Reaktion auf tatsächlich verübte Gewalttaten, sondern auf den vorherrschenden Diskurs über öffentliche Sicherheit. Es ging darum, das im Vorfeld immer wieder beschworene Szenario von Straßenschlachten, angezettelt von Krawalltouristen, Wirklichkeit werden zu lassen. Gemessen an diesem Ziel, war das Eingreifen der Polizei verhältnismäßig.« Wie kann man so etwas schreiben? Selbst das Ziel ist jenseits liberaler Vorstellungen von Rechtsstaatlichkeit. Was sind das für Verhältnisse, in denen bevor irgendjemand irgendetwas macht festgesetzt werden kann? Dass da ein taz-Kommentar nichts auszusetzen hat, sondern die Strategien des “präventiven Sicherheitsstaats” auch noch verteidigt, ist wirklich erbärmlich.

Nachtrag: Die bearbeitende taz-Redakteurin versicherte mir, dass der Kommentar ironisch gemeint sei. Was mich in eine tiefe Krise stürzt: Habe ich womöglich keinen Humor?