Zum Tod von Werner Maihofer

Wie erst gestern bekannt wurde ist der frühere Innenminister Werner Maihofer im Alter von 90 Jahren verstorben. Die FDP trauert nicht nur um einen Parteikollegen, sondern auch um die eigene Parteitradition. »Mit dem unerschütterlichen Bekenntnis zur Freiheit als zentralem Wert der Demokratie hat Werner Maihofer den organisierten Liberalismus wie kaum ein anderer Gelehrter geprägt« führte die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger aus. Erst 1969 trat Maihofer der FDP bei, drei Jahre später zog er in den Bundestag ein. Gerne wird an seine Zeit als Abgeordneter und Minister erinnert. Eine Zeit, in der er scheinbar den Rechtsstaat gegen den RAF-Terror verteidigte. Nicht erwähnt wird, dass in seinen Vorlesung Jahre zuvor der Verfassungschutz selbst saß, dessen Praxis er später als Innenminster gerne verfeinert hätte – durch eine Schule für Verfassungschützer. Strafrechtsverschärfungen unter Helmut Schmidt trug er mit. Nach eigenen Angaben war er es auch, der 1977 die GSG 9 Richtung Mogadischu schickte.

Um aber in Zeiten einer starken FDP zu unterstreichen, was Liberalismus bedeuten kann, sei hier aus Anlass des Todes von Maihofers ein Auszug aus einem 1963 gehaltenen  Vortrag bei der Evangelischen Akademie zitiert, ein Vortrag, den er sich wenige Jahre später durchaus hätte vor Augen führen können, als er selbst eifrig dabei war, das Instrumentarium für Gesinnungsverfolgung zu verfeinern.

»Genau entsprechend zu den Erscheinungen der mittelalterlichen Inquisition gegen Ketzer und Andersgläubige wird im autoritären Staat der Gegenwart das Politische Strafrecht über seine klassische Funktion als Schutz gegen Gefährdungen der inneren und äußeren Sicherheit des Staates hinaus, zum Instrument der politischen Inquisition gegen Ketzer und Andersgläubige schlechthin; gegen jeden Untertan also, der sich dem durch die machthabende Partei als allgemein verbindlich behaupteten und geforderten Credo äußerlich und auch nur innerlich widersetzt. Damit aber wird politische Justiz in allen autoritären Staaten zu einem unter dem Schein der äußeren Legalität gehandhabten Instrument zur Vernichtung oder zumindest Erschütterung des politischen Gegners, mit Mitteln des Gewissenszwangs und des Gesinnungsterrors gegen jeden, der sich dem von der Partei-Ideologie geforderten Bekenntnis nicht von selbst innerlich unterwirft oder doch zumindest äußerlich, ohne aufzufallen, in allen was er tut und lässt, anbequemt. In solchen autoritären Staaten hat nicht nur das Licht der Öffentlichkeit zu scheuen, der der Verfassung oder den Gesetzen des Landes zuwiderhandelt, sondern schon der, der mit der öffentlichen ‘politischen Linie’ nicht übereinstimmt; der nicht, wo immer dies von ihm in Worten oder Taten gefordert wird, in das offizielle politische Bekenntnis mit einstimmt. Ein solcher Staat wird darum über kurz oder lang, wie wir dies im nationalsozialistischen Staat beobachten konnten, nicht nur die Staatsschutzdelikte: den Hoch- und Landesverrat, immer entschiedener nicht mehr nur gegen den wirklichen Feind des eigenen Staates gebrauchen, sondern auch gegen den bloßen Gegner der eigenen Politik, den ‘Feind’ der Partei, ja auch nur den Zweifler an der über jeden Zweifel erhobene, sakrosankt erklärten und mit dem Staatswohl gleichgesetzten Ideologie.«

Großer Gipfel, kleine Wirkung. Interessenkonflikte prägten den G20-Gipfel in Pittsburgh

Am 24. und 25. September trafen sich zum dritten Mal innerhalb eines Jahres die Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer. Nachdem die G8 nicht mehr der politische Rahmen war, die weltweite Wirtschaftskrise, deren Folgen sowie die Herausforderungen des Klimawandels zu verhandeln, schwingt sich die G20 scheinbar selbst zur legitimen G8-Nachfolgerin auf. Zu wichtig sind inzwischen u.a. die sogenannten BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China). An ihrem ökonomischen Gewicht kam die G8 politisch nicht mehr vorbei.

Auch der Protest in Pittsburgh blieb symbolisch
Auch der Protest in Pittsburgh blieb symbolisch

Auch wenn es nicht zum großen Krach kam, so hatte der Gipfel in Pittsburgh doch einen Hauch von Seattle: allerdings nicht auf der Straße, sondern – wie 1999 – bei den Verhandlungen. »Wir hatten es diesmal mit einer Wand zu tun«, hieß es aus deutschen Verhandlungskreisen. Die Schwellenländer stellten klare Forderungen: »Entweder ihr macht große Konzessionen bei der Reform der internationalen Organisationen, oder wir lassen den Gipfel platzen.« (spiegel-online, 25.9.09) Am Ende wurde eine kaum nennenswerte Neuverteilung der Stimmrechte beim Internationalen Währungsfonds (IWF) verabredet.

Wenn man die Beschlüsse von Pittsburgh mit den Ergebnissen des G20 im April vergleicht, dann zeigt sich, dass sich substanziell kaum etwas bewegt hat. (vgl. ak 538) Peter Bofinger, einer der sogenannten Wirtschaftsweisen, monierte bereits im Vorfeld des G20-Gipfels: »Der Politik fehlt der Mut zu radikalen Reformen.« (Die Welt, 22.9.09) Fehlender Mut ist jedoch wahrlich nicht das Problem; es gibt einen ganz einfachen Grund: Mit zwölf weiteren Staaten sind die in der G20 anzutreffenden Interessenkonflikte und Widersprüche mehr und vielfältiger geworden. Continue reading “Großer Gipfel, kleine Wirkung. Interessenkonflikte prägten den G20-Gipfel in Pittsburgh”