Welches Geld regiert die Welt? Nicht nur China zweifelt an der Rolle des US-Dollars als Weltwährung

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Für manche ist die Welt des US-Dollars noch in Ordnung. Zum Beispiel für die somalischen Piraten. Diese wollten, so der an Verhandlungen beteiligte Ex-FBI-Agent Jack Cloonan, nur die US-Währung als Lösegeld akzeptieren. Bei Piraten steht der Greenback also noch hoch im Kurs. Ganz anders sieht es hingegen in China aus, dem bei Abwertungen des US-Dollars ein Verlust der Währungsreserven droht. Etwa 50-70 Prozent der über 2 Bio. chinesischen US-Dollar-Devisen laufen auf die US-Währung. In den letzten Monaten hatte es der chinesische Zentralbankchef Zhou Xiaochuan geschafft, die Rolle des US-Dollars als Weltgeld und damit auch die politische Rolle der USA als Weltmacht zum Politikum zu machen. Zuletzt kurz vor dem G8-Gipfel in Italien.

Im Juni trafen sich im russischen Jekaterinburg die sog. BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China). Während sich alle darüber einig waren, dass es mit dem US-Dollar als Leitwährung so nicht weitergehen könne, wurde keine Einigung darüber erzielt, wie ein alternatives Weltwährungssystem aussehen soll. Zu groß sind die Widersprüche. Das ist wohl auch ein Grund, warum die G8 in ihrer Abschlusserklärung weder auf den US-Dollar eingehen, noch ernsthaft das Thema diskutierten mussten.

Für den globalen Kapitalismus ist ein international anerkanntes Geld, ein Weltgeld, notwendig. Es integriert die Länder in den Weltmarkt. Gleichzeitig ist der globale Kapitalismus in Nationalstaaten und damit Währungsräume fragmentiert. Das ist der Grund, warum eine nationale Währung die Funktion der internationalen Leitwährung übernimmt. Diese Währung fungiert als internationales Wertmaß, mit dem es überhaupt möglich ist, grenzüberschreitend Waren auszupreisen, zu zahlen und Kredite zu vergeben. Gleichzeitig ist sie ein international gültiges Wertaufbewahrungsmittel.

Doch nicht jede Währung eignet sich als Leitwährung. Ein Staat muss den Willen und die Möglichkeit haben, die Stabilität der Leitwährung zu verteidigen – politisch und ökonomisch. Dafür ist wirtschaftliche Potenz in der Weltwirtschaft nur eine notwendige, nicht jedoch eine hinreichende Bedingung. Der betreffende Staat muss zudem politisch und militärisch dominieren können und wollen. Insofern kann man für heute sagen, dass die Macht der USA nicht nur auf dem US-Dollar beruht, sondern die Stellung des US-Geldes als Weltgeld auch auf der Militärmacht USA. Dies ist spätestens seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges so. Davor hatte Großbritannien diese Rolle inne, das mit dem britischen Pfund das Weltgeld stellte und als Empire eine Art globale Ordnungsmacht war. Mit der Machtverschiebung zu den USA löste New York auch London als führendes Finanzzentrum ab und der US-Dollar begann, das britische Pfund als wichtigste Währung der Welt abzulösen.

Der Übergang von der britischen zur US-amerikanischen monetären Hegemonie verlief alles andere als reibungslos. Vor dem Ersten Weltkrieg waren die USA nicht in der Lage, die Rolle Großbritanniens zu übernehmen. Zwischen den Weltkriegen wollten sich die USA die globale Verantwortung nicht aufbürden. Großbritannien war dazu nicht mehr in der Lage. Auch dies war ein Grund, warum die Weltwirtschaft nach dem Crash von 1929 derart schnell zusammenbrach.

Vor allem hier ist ein Unterschied zur gegenwärtigen Krise zu verzeichnen. Trotz unterschiedlicher Interessen und Vorstellungen davon, wie die Krise politisch zu verarbeiten ist, gab es in diesem Zusammenhang mehre Beispiele koordinierter Politik der wichtigsten Zentralbanken und die Vereinigten Staaten übernehmen nach wie vor globale Verantwortung auch als quasi internationale Zentralbank.

Diese Verantwortung bringt auch Vorteile mit sich. Sind alle VermögensbesitzerInnen bereit, ihr Geldkapital in US-Dollar anzulegen, und ist der globale Handel an genügend Liquidität interessiert, so ist es den USA auch möglich, sich vergleichsweise hoch zu verschulden, ohne dass die Währung abwertet werden muss; ein Privileg im Vergleich zu fast allen anderen Ländern.

Deutlich wird das bei den Entwicklungen in Osteuropa, wo viele Länder vor dem Bankrott stehen, da sie in Euro aufgenommene Kredite nach massiven Abwertungen nur mit Hilfe des Internationalen Währungsfond (IWF) und der EU zurückzahlen können. Die USA werden jedoch auch dazu gedrängt, den US-Dollar als Weltgeld zu garantieren. Das zeigt sich u.a. daran, dass es Zentralbanken sind, die das amerikanischen Leistungsdefizits zu einem Drittel finanzieren.

Weltgeld US-Dollar und monetäre Hegemonie

Die Debatte über die Rolle des US-Dollars wird gegenwärtig zwar verstärkt diskutiert, ist aber seit Jahrzehnten ein Dauerbrenner. Ein Schwinden der US-Relevanz wurde bereits Mitte der 1970er Jahre mit dem Ende der festen Wechselkurse und des Währungssystems von Bretton Woods prognostiziert. Damals gaben die USA ihr Versprechen auf, den US-Dollar in Gold einzutauschen. Mit der Einführung des Euro 1999 spekulierten so manche zugleich über eine neue Weltwährung. Bisher ist nichts dergleichen geschehen. Ganz im Gegenteil. Obwohl das Epizentrum der Krise die USA darstellten, zog am Höhepunkt der Krise im Herbst 2008 der Dollarkurs an, weil nur er als sicherer Hafen galt.

Der Euro stand während der Krise hingegen unter Druck. Es wurde offen darüber spekuliert, ob er den innereuropäischen Spannungen gewachsen und ob ein Ende der noch jungen Währungsunion zu befürchten sei (ak 537). Auch wenn die EZB so gut wie keine wahrnehmbare Position zur Relevanz des Euros hat, muss die Finanzkrise zumindest zur Reflexion angeregt haben. Kurz vor dem G8-Gipfel veröffentlichte sie die fast 90 Seiten starke Studie “The International Role of the Euro”. Der Euro ist nach wie vor nicht dabei, den US-Dollar als Leitwährung abzulösen. Das liegt auch daran, dass zum einen der nach wie vor sehr wichtige britische Finanzmarkt in Form der Londoner City nicht Teil des Euro-Raums ist und die EU politisch und damit auch militärisch fragmentiert. Das Weltgeld ist auch eine politische und damit militärische Größe. Trotz fortschreitender Militarisierung der EU zeigte die USA mit der Koalition der Willigen und dem Krieg gegen den Irak, wie schnell sie die EU zu spalten imstande ist.

Für das Sicherheit und Rendite suchende Kapital sind die Währungsräume Yen, Schweizer Franken, aber auch das britische Pfund zu klein. Der chinesische Yuan ist bis heute nicht frei konvertibel, das heißt, auf den Devisenmärkten als Ware gar nicht handelbar.

Ohne dass es eine ernsthafte Alternative für den US-Dollar gibt, formulieren aber viele Staaten und Akteure ihren Unmut über den US-Dollar. Mit diesen Angriffen, so der Deutsche-Bank-Ökonom Peter Garber, “wollen viele Länder derzeit eine wichtige Stütze für die geopolitische Bedeutung der USA schwächen”. (Berliner Zeitung, 11.7.09) Das bedeutet zugleich, dass sich viele Länder für die internationale Politik neue Macht- und Ausgangsbedingungen sowie Optionen für Aushandlungsprozesse auf der internationalen Ebene erhoffen, vor allem China und Russland.

Was nach der Suche nach Regeln für eine stabilere Weltwirtschaft aussieht, ist eine verschärfte Konkurrenz auf dem Weltmarkt und zwischen den führenden Industriestaaten. Da kommt ein Obama mit seiner “smart and soft power” ganz recht und ist ein Nicolas Sarkozy nicht weit. Frankreichs Präsident sprach auf dem G8-Gipfel bedeutungsschwanger von einer “Neuordnung des Weltwährungssystems” und stellte in L’Aquila sogar die Frage: “Sollte eine Welt, die politisch multipolar ist, nicht wirtschaftlich mit einer multimonetären Welt korrespondieren?” (Berliner Zeitung, 11.7.09) Sarkozys laute Überlegung korrespondiert zumindest mit einem nicht unrealistischen Vorschlag, den gegenwärtig vor allem China einbringt. Das vom IWF kreierte Kunstgeld Sonderziehungsrechte (SZR) solle den US-Dollar ablösen.

China befindet sich in einer Zwickmühle: Ein unkontrollierter Absturz des US-Dollars würde nicht nur die Weltwirtschaft und die globalen Finanzmärkte in unvorhersehbare Turbulenzen stürzen, sondern zudem die hohen Vermögensbestände in US-Dollar entwerten. Was bleibt, ist eine kontrollierte Reform der gegenwärtigen Währungsordnung. Daran hat vor allem China ein Interesse. Intellektuelle Rückendeckung kommt u.a. von dem bekannten philanthropischen Spekulanten Georg Soros.

Chinas konkreter Vorschlag ist, die seit Ende der 1960er Jahre existierenden SZR des IWF als alternatives Weltgeld zu etablieren. Die SZR sind ein Kunstgeld aus einem Währungskorb aus US-Dollar, Euro, Yen und Pfund zusammengesetzt, das nicht auf dem Währungsmärkten gehandelt wird. Ende der 1960er Jahre sollte im Zuge verstärkter Handelsströme ein Mangel an internationaler Liquidität verhindert werden. Dafür richtete der IWF ein Guthaben an SZR ein. Mitglieder des IWF akzeptieren die von der Bretton-Woods-Institution bewilligten Kreditrahmen für den Zahlungsverkehr.

Dies zeigt auch die Grenzen des Vorschlags: Hinter den SZB steht keine Weltzentralbank und sie werden nur die Abwicklung des internationalen Handels ermöglichen, was nur einen geringen Teil der globalen Geldbewegung ausmacht. Auf den globalen Finanz- und Kreditmärkten wird sich dieses Kunstgeld kaum durchsetzen können, dort also, wo die eigentlich relevanten Kapitalbewegungen stattfinden. Auch bisher spielen die SZR eine untergeordnete Rolle. Der Weltpostvertrag fixierte die SZR als Währungseinheit für Zahlungen im internationalen Postverkehr, und einige Länder koppeln ihre Währung an die SZR, etwa Uganda.

Weltfinanzordnung als Kampfterrain für Interessen

China macht jedoch Druck – politisch und ökonomisch. Letzteres zeigt sich in Form von bilateralen Abkommen mit der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur, die regeln, dass der Handel nicht mehr in US-Dollar abgewickelt werden soll. Als Pilotprojekte laufen Währungsabkommen mit Indonesien, Südkorea, Malaysia, Weißrussland und Argentinien, die Kreditlinien über ein Volumen von fast 100 Mrd. US-Dollar in der chinesischen Währung Yuan regeln.

Aber auch politisch erhöht China den Druck. Das zeigte sich auch in einem Gespräch Ende Juli, als US-Außenministerin Clinton sowie Finanzminister Geithner mit ihren chinesischen Kollegen zu einem zweitägigen “Strategic and Economic Dialogue” zusammenkamen. Geithner sicherte zu, die USA würden mehr sparen. Eine Reaktion auf die Sorge der Chinesen um die US-Dollar-Schwäche. Aber auch der US-Präsident Obama unterstrich die gewachsene Rolle Chinas: “Die Beziehung zwischen den USA und China wird das 21. Jahrhundert prägen”. Zu einer größeren Kooperationsbereitschaft der USA drängt China dadurch, dass es verstärkt Mitverantwortung für globale Themen übernehmen will. Das erhöht auch den Zwang für die USA, sich mit dem Vorschlag auseinanderzusetzen, den SZR eine neue Rolle in der Weltwirtschaft zukommen zu lassen.

Die Sonderziehungsrechte werden oft mit John M. Keynes Kunstwährung “Bancor” verglichen. Diese brachte er erfolglos in die Verhandlungen von Bretton Woods von 1944 ein; er unterlag mit dieser Idee. Keynes hatte die Hoffnung, dass durch weitreichende Kreditvergabemöglichkeiten einer Clearing-Union und Strafzinsen für Guthaben eine kooperativ gesteuerte Weltwirtschaft etabliert werden könne. Dadurch sollte den strukturellen Problemen, die zur Weltwirtschaftskrise ab 1929 beigetragen hatten, etwas entgegensetzt werden. Die Anpassung zwischen den Nationalökonomien sollte möglichst ohne die Veränderung der Wechselkurse vonstatten gehen. Bei diesem Vorschlag lagen die Kosten der Anpassungsleistungen maßgeblich bei den starken Ländern.

Für Keynes war der Bancor nur im Rahmen von festen Wechselkursen und starken Kapitalverkehrskontrollen denkbar. Über all dies wird gegenwärtig weder unter ÖkonomInnen noch bei der politischen Elite auch nur nachgedacht. Das Einzige, was zur Debatte steht, ist, die Machtverhältnisse innerhalb des IWF zu verändern. Schließlich haben hier nach wie vor die USA den mit Abstand größten Stimmenanteil. Kein Wunder also, dass China gleichzeitig zu seinem Vorschlag mehr Mitsprache einfordert (NZZ, 26.3.09).

Noch Anfang des Jahrzehnts machten sich WissenschaftlerInnen des IWF in einer Studie darüber Gedanken, welche Auswirkungen die schwindende Staatsverschuldung auf Grund von Clintons Sparkurs für den US-amerikanischen Finanzplatz haben würde, weil die Masse an Staatsanleihen als sicheres Standbein des US-Finanzmarktes immer weniger zur Verfügung stand. Dieses Problem besteht jetzt zumindest nicht mehr. Andere hingegen werden zunehmend lautstark formuliert werden.

Ingo Stützle

Erschienen in:

ak – zeitung für linke debatte und praxis / Nr. 541 / 21.8.2009