Das Leben der ganz anderen – groteske Mechanik der Macht

Die DDR hat es wirklich gegeben. Die von Rayk Wieland erzählte Geschichte ist auch tatsächlich passiert. Zu Klaus Bittermanns Besprechung ist wenig hinzuzufügen. Die Stasi wird auf einen pubertierenden Jungen aufmerksam, der regelmäßig und mit Hingabe seiner Geliebten in den Westen schreibt. 20 Jahre nach dem Fall der Mauer, fast 30 Jahre nach den ersten Gedichten, erfährt der inzwischen nicht mehr so jugendliche Autor, dass nicht nur er, sondern auch seine Gedichte Gegenstand von Stasi-Ermittlungen und Überwachung waren. Wielands Stasi-Akte kehrt als Gedichtsammlung wieder. Ein grotesk kommentierte Sammlung längst vergessen und verloren geglaubter Gedichte. Ein wirklich großartiges Buch.

Auf WDR2 liest Wieland selbst eines der im Buch mit Stasi-Anmerkungen versehenen dokumentierten Gedichte vor und die Jungle World hat ein Kapitel vorveröffentlicht. Ein Interview mit RadioEins findet sich in der ARDmediathek.

Dass die Geschichte und wie Wieland sie beschreibt so grotesk erscheint, hat sicher auch was mit dem zu tun, was Foucault über die grotesken Mechanismen der Macht sagt. Den Zusammenhang von willkürlicher Herrschaft und Groteske führ Foucault in der Vorlesung am College de France vom 8. Januar 1975 (Die Anomalen) aus:

“Die Groteske gehört zu den entscheidenden Verfahren der willkürlichen Herrschaft. […] Mir scheint es […] darum zu gehen, eindeutig die Unumgänglichkeit und Unvermeidbarkeit der Macht vorzuführen, die auch dann noch in aller Strenge und in einer äußerst zugespitzten gewaltsamen Rationalität funktioniert, selbst wenn sie in den Händen von jemandem liegt, der tatsächlich disqualifiziert ist.”

Ein Oberleutnat, der weder das brennende Feuer der Liebe, noch Schiller oder Shakespeare kennt, hat es sicher leicht, Gedichte und jugendlichen Nihilismus als staatsgefährdend einzustufen… Aber ich schlage vor, das Buch zu lesen.