State of (the) crisis

Im Zuge der gegenwärtigen Finanz- und Weltwirtschaftskrise feiert der Staat ein ungeahntes Comeback. Er soll Vertrauen schaffen, Konjunkturpäckchen schnüren und sich dennoch zurück halten. Ein Widerspruch? Und: War der Staat eigentlich je verschwunden? Aus einer staats- und kapitalismuskritischen Perspektive soll der Ausgangspunkt der gegenwärtige Krise, deren Verlauf und mögliche Folgen beleuchtet werden. Der Vortrag soll dabei die Bedingungen linker Politik umreißen und den Raum für eine gemeinsame Diskussion über Perspektiven und Strategien öffnen.

Tagesseminar, 4. April 2009, 11-18 Uhr, Haus der Demokratie und Menschenrechte, Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin, Raum 0106

Dietmar Dath zur Krise

Dem aktuellen SZ-Magazin diktiert der Schriftsteller Dietmar Dath: »Mir macht die Krise Angst: Wenn man Ratten in einen Käfig sperrt und dann das Bodengitter mit Krisenspannung elektrisiert, fangen sie an, einander totzubeißen. Die Frau an der Supermarktkasse ist noch besoffener als sonst. Mit Recht. Und das größte Rätsel ist, warum es immer noch erwachsene Menschen gibt, die den Kommunismus ablehnen.«

Althusser und die Wertform

Jannis Milios hat sich in einem Aufsatz an das gern umschiffte Verhältnis von Althusser und Marx’ Analyse der Wertform gewagt:

»Rethinking Marx’s Value-Form Analysis from an Althusserian Perspective«, in: Rethinking Marxism, 21.Jg., H.2 (April), 260-274. (als pdf-Datei)

Bekanntermaßen war in Althussers Augen der Anfang des Kapitals nichts anderes als ein hegelianischer Rest, den man besser überblättern sollte. Ganz anders die Tradition des sog. monetären Werttheorie, für die die Begründung des Geldes als konstitutives Moment der kapitalistischen Produktionsweise zentral ist.

By the way: Karl Marx and the Classics von John Milios, Dimitri Dimoulis und George Economakis ist auch online als pdf-Datei zu haben – ein sehr gutes, aber eigentlich unbezahlbares Buch.

Marx’ “Resultate des unmittelbaren Produktionsprozesses”

Endlich wieder bezahlbar: Marx’ Resultate des unmittelbaren Produktionsprozesses. Wer sich den MEGA-Band nicht leisten kann und die Ausgabe im Verlag Neue Kritik in keinem Antiquariat mehr findet, hat nun die Möglichkeit, die Resultate des unmittelbaren Produktionsprozesses, das zu Marx Lebzeiten nicht veröffentlichte Abschlusskapitel zum ersten Band des Kapitals, in einer neu editierten Fassung im Dietz-Verlag Berlin zu erwerben – auf dem neusten Stand der Forschung.

Karl Marx: Resultate des unmittelbaren Produktionsprozesses


Mehr als ein Zampano – Frankreich, die NATO und der passende Moment

Nur wenige Wochen vor dem Jubiläumsgipfel der NATO gab der französische Präsident Nicolas Sarkozy bekannt, dass Frankreich nach über 40 Jahren wieder in die Kommandostruktur der NATO zurückkehren werde. Nicht nur die Kommentatorspalten der Tageszeitungen waren von Erstaunen geprägt. Wer nicht erstaunt war, schrieb diesen politischen Schritt dem Charakter Sarkozys zu, dem geltungssüchtigen Zampano. Dabei ist dieser Schritt weit weniger verwunderlich, als der Zeitpunkt, den Sarkozy gewählt hat – eben nicht nur vor dem NATO-Gipfel, sondern zudem wenige Tage vor dem G20-Gipfel in London. Continue reading “Mehr als ein Zampano – Frankreich, die NATO und der passende Moment”

Hast du mal ‘ne Mark? Der Euro und die Finanzkrise

Zehn Jahre nach der Einführung des Euro wird nicht nur über ein mögliches Ende des einheitlichen Währungsraums spekuliert. Selbst ein möglicher Bankrott von EU-Staaten wird nicht mehr ausgeschlossen. Dabei ist offen, wie sich die Finanzkrise auf den Euro und den europäischen Integrationsprozess insgesamt auswirken wird. Klar ist jedoch: Die Auswirkungen werden beträchtlich und Deutschlands europapolitische Entscheidungen von zentraler Bedeutung sein.

1985 wurde die Einheitliche Europäische Akte (EEA) auf den Weg gebracht. Ziel war die Herstellung eines einheitlichen Binnenmarktes und die völlige Deregulierung des Kapitalverkehrs. Vor allem Länder mit einer schwächeren Währung – dazu gehörte Frankreich – hatten bis dahin immer wieder in den Devisenmarkt eingegriffen. Continue reading “Hast du mal ‘ne Mark? Der Euro und die Finanzkrise”

Economic Safer Sex

Krisen sind immer auch Zeiten des Neu-Sprech. Da soll die Krise dazu dienen, gestärkt aus ihr hervorzugehen. Ganz so als sei eine Weltwirtschaftskrise ein PowerNap.

Einen neuen Höhepunkt stellt die Aussag des luxemburgischen Premier- und Finanzministers Jean-Clause Juncker dar. Er forderte auf dem Treffen der europäischen Finanzminister (Ecofin) am 10. März angesichts Rumäniens Antrag auf Zahlungsbilanzhilfe dazu auf, endlich damit aufzuhören, über weitere Hilfen für osteuropäische Staaten zu diskutieren. Dies führe zu einer neuen künstlichen Teilung Europas. “Wir sollten gelernt haben, dass es den Ostblock seit dem Fall der Mauer nicht mehr gibt.”

Eine künstliche Teilung Europas also. Ungarn musste letzten Oktober also nicht den Handel mit seinen Staatsanleihen einstellen, weil es keine Abnehmer mehr fand und keinen Kredit mehr bekam? Viele osteuropäische Währungen sind also nicht seit Wochen im freien Fall, was gleichzeitig ein Steigen der Außenverschuldung bedeutet? Nach Ungarn, Lettland und Rumänien ist gegenwärtig also nicht auch die Ukraine von einem Finanzkollaps bedroht? “Nasing spesal” würde wohl der lettischen Finanzminister Atis Slakteris kommentieren.

Aber Juncker hat Recht. Einen eisernen Vorhang gibt es schon lange nicht mehr. Im Kapitalismus sind die Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse anders organisiert – über die unsichtbare Hand. Da dürfen auf der einen Seite keine Menschen aus den osteuropäischen Ländern in Deutschland Arbeit suchen. Als ausgleichende Gerechtigkeit geht jedoch das westeuropäische Kapital gen Osten. Zum Beispiel die Banken. Bei der Commerzbank machte zirka ein Viertel des Vorsteuergewinns die Geschäfte in Polen und der Ukraine aus. Die österreichische Erste Bank erwirtschaftete 25 Prozent ihres Profits in Osteuropa. Ähnlich sieht es beim industrielle Kapital aus: Von den 25 umsatzstärksten Firmen Osteuropas stammen 18 aus dem Westen.

Es kann also keineswegs von einer Mauer zwischen Ost- und Westeuropa die Rede sein. Es trifft wohl eher die Formulierung des britischen The Economist (26.02.09) hinsichtlich Deutschland zu: economic safer sex.

Erstveröffentlichung bei freitag.de

Staatsverschuldung als Kategorie der Kritik der politischen Ökonomie

Aus doppelt aktuellem Anlass: Für meine Arbeit “Staatsverschuldung als Kategorie der Kritik der politischen Ökonomie” wurde mir der Rjazanov-Preis verliehen (Zu Rjazanov siehe den Sonderband der Beiträge zur Marx-Engels-Forschung NF). Schön genug. Aber die Arbeit passt auch thematisch in eine Zeit , in der so viel von Staatsverschuldung und gleichzeitig von Marx die Rede ist – nur eben so, als hätte letzterer nichts zur Staatsschuld zu sagen. Und über weite Strecken ohnehin ahnungslos. By the way: Der Text in einem auch sonst sehr schönen Sammelband erschienen: Philosophieren unter anderen. Beiträge zum Palaver der Menschheit.

Vor zehn Jahren machte Oskar einen auf Lafontaine

Wie gereizt die Stimmung war und teilweise noch immer ist, macht ein Radiobeitrag bei Deutschlandradio deutlich. Die Stimme ist bei so manchem heißer geworden. Vor zehn Jahren trat Oskar Lafontaine als Finanzminister zurück. Er hatte erkannt, dass es sich eben nicht nach Gerhard Schröders Motto – »Man muss nur wollen! Dann wird das schon« – regieren lässt. Dass Lafontaine überhaupt Minister wurde – und sich gegen Stollmann durchsetzte – grenzte an ein kleines Wunder. Es war das letzte Aufbäumen eines linken Flügels innerhalb einer Partei, deren neuer Kurs schon mehr oder weniger feststand: Agenda 2010 und Hartz-Reformen. Zwar nahm RotGrün zunächst ein paar Reformen der Kohl-Regierung zurück (Rentenkürzung, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall), aber kaum waren ein paar Wahlversprechen eingelöst, ein Krieg geführt, nahm die neue Koalition eine Modernisierung vor, die bisher ihres Gleichens sucht. Die Sozialdemokratie ermöglichte damit aber zugleich ihre eigene Opposition – die Linkspartei. Wer nochmals en detail nachlesen will, wie es zu der Entscheidung am 11. März 1999 kam, dem sei das Kapitel “Schröder, Lafontaine und Rot-Grün” aus Lafontaines Linke von Wolfgang Hübner und Tom Strohschneider ans Herz gelegt. Vor dem Hintergrund seiner gegenwärtigen Rolle in der Parteienlandschaft und innerhalb der Linkspartei ist der fast endgültig klingende Nachruf von Günter Gaus aus dem damaligen Freitag geradezu trollig: “Das politische Comeback ist ausgeschlossen – oder es müssten Ostern und Pfingsten auf einen gemeinsamen Tag fallen -, weil der sozialdemokratische Parteivorsitzende Lafontaine beim Abschied spontan eine übermäßige Egozentrik an den Tag gelegt hat.” Die Egozentrik hat er noch lange nicht abgelegt; aber Ostern und Pfingsten scheinen auf eine gewisse Weise doch zusammen gefallen sein.

Erstveröffentlichung: freitag.de

Erinnerung an die Zukunft II

An anderer Stelle habe ich bereits auf einen Beitrag aus Radical America verwiesen. Auf libcom.org findet sich nun ein weiterer Interessanter Artikel. Bruno Ramirez, Herausgeber von ZEROWORK, beschreibt in seinem Artikel die Kämpfe in Italien Mitte der 1970er Jahre: The working class struggle against the crisis: self-reduction of prices in Italy. Der Aufsatz erschien erstmals der Nummer 4 von Radical America.