Die FAZ lärmt und die politische Klasse zögert – Enteignung!?

Die Diskussion hat wieder einen neuen Höhepunkt und gleichzeitig einen intellektuellen Tiefpunkt erreicht. Ganz so als wäre darüber noch nie diskutiert worden, sehen KommentatorInnen, Teile der politischen Klasse sowie die VertreterInnen des Kapitals mit der wahrscheinlichen Verstaatlichung der Hypo Real Estate den Weg in den Staatssozialismus geebnet. Bei all der Aufregung lohnt dann doch mal ein Blick in staatstheoretische Klassiker. Bspw. in Otto Kirchheimers Aufsatz von 1930 “Die Grenzen der Enteignung. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Enteignungsinstituts und zur Auslegung des Art. 153 der Weimarer Verfassung” (abgedruckt in: Funktionen des Staates und der Verfassung, Frankfurt/M 1972, 223-295). Kirchheimer zufolge schließt eine Enteignung keineswegs die Garantie des Privateigentum aus. Ganz im Gegenteil: Das “Expropriationsrecht des bürgerlichen Rechtsstaats ist nur das Korrelat der verfassungsmäßig sanktionierten Herrschaft des Privateigentums.” So können nicht-willkürliche Enteignungen, die dem allgemeinen Interesse der Kapitalakkumulation dienen durchaus geboten sein. Nichts anderes wird gerade diskutiert. Dass dies nicht ohne Gezeter passiert ist ebenso klar. Noch einmal Kirchheimer: Es “hat noch keine Klasse gegeben, die freiwillig ihre Rechte preisgegeben hätte.” Der Staat muss eben die Reproduktion des Kapitalverhältnis auch gegen die Interessen von Einzelkapitalien garantieren.

Die Garantie von Eigentum ist immer gegenüber Dritten, Privatpersonen absolut. Dem Staat gegenüber ist sie relativ – er ist ja gerade die Instanz, die das Eigentum garantiert. Deshalb wird in fast allen klassischen Verfassungen dem Staat das Recht auf Enteignung zugesprochen. Gleichzeitig erkennt er das Privateigentum weiter dadurch an, indem er die Bedingungen normiert, unter denen er sich über es hinwegsetzen darf (siehe hierzu auch Uwe Wesel: Fast alles was Recht ist).

Dass Teile der Bourgeoisie und deren VertreterInnen z.Z. aufschreien zeigt nur deren bornierten Horizont. Das andere Teile die Enteignung hingegen begrüßen unterstreicht nicht nur den Charakter des staatlichen Eingriffs, sondern auch, dass der Ernst der Lage durchaus begriffen wird.

Deshalb sollte sich aber die Linken noch lange nicht am Chor für Enteignung beteiligen. Viele – insbesondere die Linkspartei – haben immer noch nicht begriffen, dass der Staat kein Gegenprinzip zum Kapitalverhältnis darstellt, sondern vielmehr eine Bedingung zu dessen Reproduktion. Was vielmehr ansteht ist ein Griff zu Notbremse. Dieser ist nur dann möglich, wenn eine gesellschaftliche Mehrheit endlich klarmacht: Wir zahlen nicht für eure Krise!