Konkrete Arbeit am Kapital. Michael Heinrichs Einführung in die Kritik der politischen Ökonomie

Mit der globalisierungskritischen Bewegung artikuliert sich ein diffuser Missmut gegenüber den Entwicklungen, die der Kapitalismus nach dem Zusammenbruch der realsozialistischen Staaten hervorgebracht hat. Die unterschiedlichsten Gruppierungen entwickeln auf Grundlage der eigenen Erfahrungen einen Antikapitalismus, der durchzogen ist von den verschiedensten Vorstellungen darüber, was Kapitalismus überhaupt ist und welche Bedeutung dem bürgerlichen Staat zukommt. Dies nimmt Michael Heinrich zum Ausgangspunkt seiner politischen Intervention. In der Reihe theorie.org des Schmetterling Verlages stellt Heinrich den bereits existierenden Einführungen zu feministischer Theorie (vgl. ak 480) und Internationalismus eine zur Kritik der politischen Ökonomie zur Seite.
Dem spontanen Antikapitalismus der globalisierungskritischen Bewegung versucht Heinrich, mit der Einführung die Marxsche Theorie näher zu bringen. “Die Frage, wie der gegenwärtige Kapitalismus funktioniert, ist […] keine abstrakt akademische, vielmehr hat die Antwort auf diese Frage unmittelbar praktische Relevanz für jede kapitalismuskritische Bewegung.” Ist der Staat Garant des Allgemeinwohls oder Instrument der herrschenden Klasse? Ist Kapitalismuskritik per se moralisch? Ist Herrschaft im Kapitalismus personalisierbar? Das sind keine Fragen, die im Vordergrund der Einführung stehen; sie werden dort aber durchaus mit der Folie der Marxschen Theorie beantwortet.
Die Einführung ist aber nicht nur an junge LeserInnen gerichtet, sondern auch an gestandene MarxistInnen, die bereit sind, “auch scheinbar Bekanntes und Selbstverständliches […] zu überprüfen.” Denn neben dem diffusen Antikapitalismus herrscht auch eine Menge Dogmatismus, der sich in der Marx-Rezeption seit den 70ern festgesetzt hat. Das Festhalten an Kategorien wie Basis und Überbau oder die Vernachlässigung des zweiten wie des dritten Bandes, die für ein Verständnis von Finanzmärkten unabdingbar sind, gehören ebenso dazu wie die völlige Unterschätzung des Geldes, deren Folge nicht zuletzt die Reduzierung der Marxschen Theorie auf eine Form linker Arbeitsmengentheorie war. Aber auch die leninistischen Lesarten des Kapitals sind hier zu nennen, die sich in so mancher recycleten Imperialismustheorie wieder finden und hinter Kriegen eine taskforce aus Monopolkapitalen und Staatsapparat wittern.
Gut ein Drittel des Buches widmet sich dem ersten Kapitel des Kapitals. Dem Zusammenhang von Arbeit in kapitalistischer Warenproduktion, Wert und Geld wird ebenso nachgegangen wie der Frage, wie diese mit den verschiedenen Fetischformen zusammenhängen. Allerdings unterscheidet sich die Einführung von vielen anderen, die darin den Stoff bereits als erschöpft ansehen. Auch der Rest des ersten Bandes sowie die Bände zwei und drei des Kapitals werden eingehend gewürdigt. Dabei kommt Heinrich auch auf den Staat zu sprechen, der in den aktuellen Debatten – ob es nun um imperialistische Kriege oder die Forderung nach einer Tobin-Steuer geht – eine zentrale Rolle spielt. Der Exkurs zu Antisemitismus kann als weiterer Hinweis auf die virulente politische Bedeutung dieser Einführung genommen werden. Im Gegensatz zu vielen anderen, die in der letzten Zeit die Marxsche Theorie hochhalten und vor verkürztem Antikapitalismus warnen, der immer schon mit Antisemitismus gleichgesetzt wird, weiß Heinrich um die Grenzen der Aussagefähigkeit der Marxschen Kategorien, ohne die wertvollen Erkenntnisse zu diesem Thema klein zu reden.
Allerdings betont Heinrich gleich zu Beginn des Buches, dass seine Einführung die eigene Lektüre des Kapitals nicht ersetzen kann. Seine Einführung legt er als Produkt einer bestimmten Interpretation der Marxschen Theorie – die seit den 70er als “neue Marx-Lektüre” bekannt ist – offen.
Wenn diese Einführung als politische Intervention zu werten ist, dann bleibt jedoch eines unklar: Welchen Stellenwert nimmt die Beschäftigung mit der Marxschen Theorie in sozialen Kämpfen ein? Diejenigen, die in den letzten Jahren eine verstärkte Marx-Rezeption eingefordert haben – nicht zu unrecht wohlgemerkt – gehen von einem Erkenntniseffekt durch eine aufklärerische Praxis aus. Viele haben sich inzwischen mit ihrem Zynismus dem bürgerlichen Fortschrittsglaube verpflichtet und erkennen im sich artikulierenden Antikapitalismus nur noch die Reaktion, auf die es schon gar nicht mehr einzuwirken gilt. Wie Marx aber gezeigt hat, stellen sich Vorstellungen über die Gesellschaft in gesellschaftlichen Praxen her. Erst wenn sich hier eine Kraft entwickelt, die herrschende Produktions- und Verkehrsverhältnisse in Frage stellt, kann auch ein reflektierter Antikapitalismus wirksam in Erscheinung treten. Für diese Reflexion ist Michael Heinrichs Einführung sehr hilfreich, sie kann aber die Organisierung einer kommunistischen Praxis nicht ersetzen. Und hier herrscht Einigkeit: “Trotz all dieser Schwierigkeiten ist aber kein Argument ersichtlich, warum eine kommunistische Gesellschaft prinzipiell unmöglich sein sollte.”

Ingo Stützle

Schmetterling Verlag, Reihe theorie.org, Stuttgart, 10 Euro

Weitere Informationen und Texte von Michael Heinrich sind unter www.oekonomiekritik.de zu finden.

Erschienen in: ak – analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis, Nr.481 v. 20.02.2004

Ideal und Wirklichkeit. Freihandelstheoretiker und ihre Kritiker haben einiges gemeinsam

Nicht nur die Praxis, auch die Theorie des weltweiten Freihandels ist Jahrhunderte alt. Doch was sind ihre Grundannahmen, und wie schließen die heutigen Neoliberalen und WTO-Befürworter daran an? Auch die Kritik am Freihandel entstand nicht erst mit der globalisierungskritischen Bewegung. Trifft sie ihren Gegenstand, oder unterminieren bestimmte Formen von Kritik ihren antikapitalistischen Anspruch?

Mit der neoliberalen Wende seit den 1970er Jahren ist ein alter Schlachtruf wieder in aller Munde: »Laissez faire et laissez passer«. Diese Parole ist wohl auf Jacques Vincent de Gournay zurückzuführen, der in der zweiten Hälfte des 18.Jahrhundert wie viele französische Kaufleute für die Befreiung vom Merkantilismus plädierte. Für den Merkantilismus als wirtschaftspolitisches Theorem des Absolutismus hatte der »Reichtum der Nationen« (Adam Smith) vor allem eine Ursache: der Exportüberschuss, der sich in einer aktiven Handelsbilanz ausdrückte. Mit dieser Vorstellung war eine bestimmte Politik verbunden: Niedrige Ausfuhrzölle, hohe Einfuhrzölle, Förderung des Transportwesens, Erweiterung und Regulierung des inneren Marktes usw. Der dem Handel zugesprochene produktive Charakter wurde unter Umständen auch gewaltsam erzwungen. Die Kolonisierung der Welt zur Sicherung von Rohstoffen, Handelsstrukturen und Absatzmärkten haben im Merkantilismus ihren Anfang.

Diese Politik hatte jedoch auch in Europa selbst negative Auswirkungen, vor deren Hintergrund der freihändlerische Schlachtruf entstand. In Frankreich wurde die Landwirtschaft durch die hohe Besteuerung der Landwirte und die Getreidepreisbindung, welche die Löhne für die Manufakturen niedrig halten sollten, fast vollständig ruiniert. Hinzu kam, dass die aristokratischen Grundherren durch Steigerung der Pachtzinsen ihre Einkünfte erhöhen wollten. Hier setzten die Physiokraten an, die im Gegensatz zu merkantilistischen Vorstellungen davon ausgingen, dass allein die landwirtschaftliche Produktion produktiv sei. Freihandel hatte für François Quesnay (1694-1774), dem wichtigsten Vertreter der Physiokraten, vor allem den Zweck, die gegängelte (Land-)Wirtschaft zu stärken. Damit könnte die Versorgung gewährleistet und bei Krisen und Missernten Abhilfe geschaffen werden, da ohne Handelsbeschränkungen eine ausgleichende Versorgung der Provinzen sichergestellt werden könnte.

Auch in späteren Auseinandersetzungen spielte das Getreide eine zentrale Rolle. In der ersten Hälfte des 19.Jh. setzte das aufstrebende industrielle Kapital in England alle Hebel in Bewegung, um die Abschaffung der so genannten Korngesetze durchzusetzen. »Cheap food, high wages« war bereits damals die demagogische Parole der Freihändler, die als erste politisch organisierte Bewegung der neuen industriellen Bourgeoisie versuchten, die breite Bevölkerung vom Freihandel zu überzeugen. Die damalige Argumentation ist auch heute noch von zentraler Bedeutung: Zölle auf Getreide verteuern die Lebensmittelkosten und senken die Reallöhne.

Kosten und andere Vorteile
Der Klassiker unter den Freihandelstheoretikern ist David Ricardo (1772-1823). Bis heute bildet sein Theorem der »komparativen Kostenvorteile« die Grundlage aller Freihandelstheorien. Die Grundidee ist simpel: Im Gegensatz zu Adam Smith ging Ricardo davon aus, dass es keinen absoluten Produktionskostenvorteil eines Landes gegenüber einem anderen geben muss, damit der Reichtum in einem Land steigt. Ricardo ging dagegen von den relativen Preisverhältnissen (da er vom Geld abstrahiert, eigentlich von Tauschverhältnissen) unterschiedlicher Güter aus, die ihm zufolge wiederum durch die Arbeitskosten bestimmt sind.

Voraussetzung für seine weitere Überlegung ist, dass sich durch internationale Konkurrenz und Kapitalbewegungen keine globale Profitrate erstellt. Damit bestimmt sich Ricardo zufolge der Wert auf dem internationalen Markt anders als innerhalb eines Landes. Wenn sich nun die Länder auf die Produktionszweige spezialisieren, in denen sie im Verhältnis zu anderen Ländern billiger produzieren, dann ergibt sich ein positiver Effekt für alle Länder, weil sie die gegebenen Ressourcen von der unrentablen in die effizientere Produktion verlagern. Das von Ricardo selbst angeführte Beispiel verdeutlicht seine Überlegungen: England und Portugal benötigen für die Produktion von Tuch und Wein jeweils eine bestimmte Arbeitsmenge je Wareneinheit. Deren Gesamtmenge könnte laut Ricardo jedoch effektiver eingesetzt werden, wenn sich beide Länder auf die Produktion spezialisieren, in der sie vergleichsweise, d.h. komparativ besser sind. Beide Länder könnten so ihre verfügbare Arbeitszeit effektiver einsetzen und durch den Tausch der insgesamt größeren Masse an Gebrauchswerten einen Wohlfahrtsgewinn realisieren. Diese effizienzsteigernde Wirkung der internationalen Arbeitsteilung wird spätestens seit Ricardo systematisch theoretisiert. Von Befürwortern wie Kritikern wurde dieses Theorem in seinen Grundannahmen meist akzeptiert und lediglich anders ausgelegt oder kritisch reformuliert.

Die erste Weiterentwicklung der Überlegungen von Ricardo stammt von John Stuart Mill (1806-1873), der sowohl klassisch, arbeitswerttheoretisch wie Ricardo als auch neoklassisch, rein preistheoretisch argumentierte (zur Neoklassik siehe unten). Er ging von einem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht mit einem gleichgewichtigen Wechselkurs und damit einem gleichgewichtigen System von relativen Preisen aus, mit welchem über Export und Import Angebot und Nachfrage in allen Ländern zur Deckung kommen. Über den Wechselkurs und damit die veränderte Kaufkraft einer Währung für ein bestimmtes Gut in einer anderen Währung (terms of trade) wird Mill zufolge die internationale Struktur von Angebot und Nachfrage so lange »reguliert«, bis diese zur Deckung kommen.

Das Herz der Freihandelstheorie
Die heutige Idee vom freien Handel ist ohne die Neoklassik weder vorstellbar noch zu erklären. Vor allem die neoklassische Preistheorie und die daraus entwickelte allgemeine Gleichgewichtstheorie sind zentrales Fundament des Freihandelsparadigmas. Die Grundlagen der Neoklassik, die in der zweiten Hälfte des 19. Jh. die klassische Nationalökonomie (Smith, Ricardo u.a.) weiterentwickelte, beruhen im Grunde auf normativen Aussagen: Es wird ein ideales Verhalten der wirtschaftenden Menschen konstruiert, welches eine optimale Situation des Gleichgewichts und ideale Bedürfnisbefriedigung ermöglicht. Ausgangspunkt ist die Vorstellung, dass auf der einen Seite die Bedürfnisse der Individuen unendlich sind, die Ressourcen zu ihrer Befriedigung dagegen endlich. Damit entsteht für die Subjekte der Zwang zu Arbeitsteilung und Tausch – gerade auch international. Treten keine externen Schocks (z.B. Kriege oder Naturkatastrophen) auf, ist der Markt ein endogen stabiles System. In diesem Gleichgewicht gibt es ein Ensemble von relativen Preisen, die keinen mehr besser stellen können, ohne dass gleichzeitig andere MarktteilnehmerInnen schlechter gestellt werden (so genanntes Pareto-Optimum).

Grundlegend für die Neoklassik ist die Trennung von monetärer und realer Sphäre. Es herrscht eine »Zwei-Welten-Lehre«, die streng zwischen der Sphäre der Preise und Geldmengen auf der einen Seite und physischer Produktion von Gütern sowie den dazu nötigen Produktionseinheiten auf der anderen Seite unterscheidet. Diese Unterscheidung kommt auch bei der Außenwirtschaft zur Geltung.

Bei den monetären außenwirtschaftlichen Aktivitäten kommt vor allem der Devisenmarkt in Betracht. Angebot und Nachfrage von Währungen bestimmen hier den Wechselkurs, Geld existiert nur als Währung neben anderen Währungen, ohne Bezug auf die »reale« Produktion. Es können zwei Szenarien unterschieden werden. Einmal in einem System fester Wechselkurse (wie zum Beispiel das von Bretton Woods bis 1973) und einmal im System flexibler Wechselkurse, wie es heute weitgehend gegeben ist. Bei letzterem bleibt für die Neoklassik das Theorem des Gleichgewichts zentral. Langfristig gilt im System flexibler Wechselkurse bei Kaufkraftparität ein Gleichgewicht zwischen den Währungen. Der Wechselkurs ist durch die Relation der Preisniveaus bestimmt. Verändert sich dieses in einem Land, verschlechtert sich die Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Exporte nehmen ab und Importe zu. Das bedeutet, dass eine erhöhte Nachfrage nach Devisen dazu führt, dass die inländische Währung gegenüber der ausländischen so weit abgewertet wird, bis die Nachfrage nach Devisen befriedigt ist. Damit ist erneut ein Gleichgewicht zwischen den beiden Währungen hergestellt. Der Neoklassik zufolge ist somit durch den freien Wechselkurs (d.h. keine Handelsbeschränkungen für Devisen und Kapitalmärkte) eine perfekte Abschirmung gegen importierte Inflation aus dem Ausland möglich. Damit wird deutlich, dass die Neoklassik, deren höchstes Gut die Preisstabilität ist, für freien Handel auf den Devisenmärkten und flexible Wechselkurse plädiert.

Erst nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Freihandel mit Gütern wieder verstärkt Gegenstand der neoklassischen Theorie. Insbesondere die Spezialisierung der einzelnen Länder aufgrund unterschiedlicher Ausstattung von Kapital und Arbeit rückte in den Mittelpunkt der Analysen. Zunächst wurde in den 1930er Jahren im so genannten Heckscher-Ohlin-Theorem behauptet, dass sich Länder unter Effizienzkalkülen entlang der Intensität von Arbeit und Kapital spezialisieren. Wohlfahrtsgewinne seien vor allem dann zu erzielen, wenn sich Länder auf die Produktion spezialisieren, für die sie prädestiniert sind: Portugal etwa durch niedrige Lohnkosten und England durch Geldkapital. Nachdem festgestellt wurde, dass dieses Theorem empirisch nicht haltbar war, wurde es im Stolper-Samuelson-Theorem mit der Argumentation gerettet, dass nicht von einer Homogenität der Ware Arbeitskraft ausgegangen werden könne. Stolper/ Samuelson erklärten, dass bei erhöhter Nachfrage nach einem Gut und damit steigenden Löhnen in diesem Sektor die Löhne für die Produktion eines anderen Gutes sinken. Mit der Aufnahme von Handelsbeziehungen und den damit einhergehenden Wohlfahrtsgewinnen seien demzufolge immer Einkommensumverteilungen verbunden. Wesentliche Aussagen der klassischen wie der neoklassischen Außenhandelstheorie lassen sich bereits im Rahmen ihrer eigenen theoretischen Grundlage kritisieren: Ricardos Argument vom komparativen Kostenvorteil ist nur gültig, wenn vom Zins abgesehen wird und eine (Handels-)Welt mit nur einem einzigen Gut vorausgesetzt wird. Nur so wären die Preisverhältnisse ausschließlich durch Technologie bestimmt. Dies ist jedoch eine geradezu irrwitzige Annahme für den internationalen Handel, wo es gerade darum geht, unterschiedliche Güter zu tauschen. Ohne diese Annahme und unter Einbeziehung der Verteilung von Zins- und Lohnsatz ist weder ein klarer Zusammenhang der Preisentwicklung in den unterschiedlichen Ländern konstatierbar, noch kann eine Aussage über Vorteile einer kapital- oder arbeitsintensiven Produktion getroffen werden. Die suggerierten klaren Zusammenhänge, auf welchen alle Erklärungen der (neo)klassischen Freihandelstheorien bauen, sind somit in ihrem Kern zerstört.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte die neoklassische Wirtschaftstheorie zunächst einen schlechten Stand, da sie sich als unfähig erwiesen hatte, eine Antwort auf die Weltwirtschaftskrise von 1929 zu finden. Doch trotz dieser Krise der ökonomischen Theorie wurde politisch im Rahmen des Systems von »Bretton Woods« und den GATT/ WTO-Runden unter der Hegemonie der USA auf die Etablierung eines möglichst freien Weltmarkts gedrängt. Etappenweise fand weltweit eine Internationalisierung des produktiven Kapitals und schließlich des Geldkapitals statt. Mit letzterem kann auch die neue Qualität der Globalisierung herausgestellt werden, nämlich dass sich eine globale Durchschnittsprofitrate etabliert, an der sich alle Verwertungsmöglichkeiten in Konkurrenz um das Geldkapital messen lassen müssen.

Die neoliberale Freihandelsideologie, wie sie sich nach dem Ende des real existierenden Sozialismus nahezu allgemein durchsetzte, ist im Kern nichts Neues und schließt nur an allgemeine neoklassische Argumentationen an. Es gab in ihrem Rahmen keinen Versuch, eine neue integrierte Theorie zu formulieren, lediglich Akzentuierungen. So wird etwa ins Feld geführt, dass die Transaktionskosten durch den Freihandel sichtlich gesenkt werden können und sich somit ein allgemeiner Wohlfahrtseffekt einstellt. Desweiteren wird argumentiert, dass durch die vertiefte weltweite Arbeitsteilung eine Steigerung der Produktivkräfte ermöglicht wird. Inzwischen ist mit dem Buch »Free Trade Today« (2002) von Jagdish Bhagwati, einem Anwärter auf den Nobelpreis für Ökonomie, die wirtschaftstheoretische Zunft dort angelangt, wo sich bereits die klassische Freihandelsbewegung im 17. und 18. Jahrhundert versucht hat: der Bevölkerung allgemeinverständlich nahe zu bringen, warum der Freihandel zu ihrem Besten ist.

Die Theorien sind schön …
Fast genauso alt wie die Theorie und Praxis des Freihandels ist die Kritik daran. Diese bewegt sich jedoch auf unterschiedlichen Ebenen, und nicht selten trifft sie ihren Gegenstand eher schlecht als recht.
Eine erste Kritiklinie versucht Ricardos Theorem von den komparativen Kostenvorteilen kritisch zu reformulieren oder dessen kritische Punkte auszuleuchten. So argumentierten beispielsweise viele Dependenztheoretiker, dass im Falle von Dritte-Welt-Ländern mit einer Spezialisierung der Produktion eine zunehmende Abhängigkeit vom Welthandel verbunden sei und somit die Gefahr von Krisen. Bei einseitiger Ausrichtung auf landwirtschaftliche Produktion mache sich ein Land von der Witterung abhängig, und die Monokultur wirke sich nachteilig auf die Qualität der Produkte und auf die natürlichen Ressourcen wie z.B. Böden aus.

Andere Dependenztheoretiker wie Arghiri Emmanuel, aber auch Marxisten wie Ernest Mandel betonten darüber hinaus in den 1960er und 70er Jahren im Anschluss an die marxsche Werttheorie den »ungleichen Tausch« zwischen den verschiedenen Ländern. Die Ausbeutung der Dritten Welt wurde von ihnen als Werttransfer gedacht. So geht Emmanuel davon aus, dass die Lohnunterschiede zwischen Peripherie und Zentrum größer seien als die Niveaus der Produktivität. Deshalb kann er auf Grundlage der ricardianischen Theorie der komparativen Kosten davon ausgehen, dass ein einseitiger Transfer von Werten stattfindet, und zwar von Süd nach Nord. Diese Grundüberlegung liegt auch der Fair-Trade-Bewegung zugrunde. Wie die »ricardianischen« Sozialisten des 19. Jahrhundert einen gerechten Lohn einforderten, geht die Fair-Trade-Bewegung davon aus, dass die Ausbeutungs- und Abhängigkeitsverhältnisse des kapitalistischen Weltsystems durch »gerechte« Preise aufgebrochen werden können. Es wird somit ein bürgerliches Ideal, der gerechte Preis, gegenüber einer räuberischen Praxis, dem ungleichen und ungerechten Tausch, eingeklagt.

Das Theorem vom »ungleichen Tausch« wurde schon früh kritisiert, denn es beruht auf einer überkommenen marxistischen Werttheorie, die ähnlich wie Klassik und Neoklassik eine »Zwei-Welten-Lehre« vertritt. Das Geld dient, wie in der Neoklassik, nur als Schmiermittel des Tausches. Damit lässt sich die Vorstellung vom ungleichen Tausch bereits in den Grundannahmen in Frage stellen, weil sie lediglich einen Tausch von Arbeitsquanten unterstellt (etwa wenn in einem Produkt aus Afrika 20 Arbeitsstunden stecken, während in dem dagegen eingetauschten Produkt aus Deutschland nur eine Arbeitsstunde enthalten ist). In seiner naturalistischen Annahme von Arbeit, Ware und Wert unterschlägt das Theorem vom ungerechten Tausch jedoch den konstitutiven Charakter des Geldes, ohne welches überhaupt nicht von Wert gesprochen werden kann und welches eine untrennbare konstitutive Relevanz für den kapitalistischen Gesamtzusammenhang und damit auch für Lohnarbeit, ‚reale’ Produktion und Tauschvorgänge hat.

… aber die Realität ist hässlich
Eine zweite Form der Kritik, die insbesondere vom reformorientierten Flügel der heutigen globalisierungskritischen Bewegung formuliert wird, vergleicht das Ideal des Freihandels mit der Wirklichkeit. Der Freihandel wird gemäß seinen eigenen Maßstäben daran gemessen, was er als Befriedungs- und Demokratisierungsstrategie, als Wohltäter für Reich und Arm und Garant für ökonomische Stabilität leistet. In diesem Zusammenhang wird oft die widersprüchliche Politik der Industriestaaten kritisiert, vor allem die auf Freihandel drängenden USA und die EU, die zugleich manche heimische Wirtschaftssektoren mit hohen Zöllen oder Subventionen schützen. Auch im Zusammenhang mit protektionistischen Maßnahmen – die mal als unabdingbare Voraussetzung für Industrialisierungsprozesse in Dritte-Welt-Ländern, mal als Abschottung der Industrieländer gegen Produkte aus dem Süden interpretiert werden – wird die staatliche Wirtschaftspolitik von dieser Warte aus kritisiert.

Diese Form der Kritik misst zwar die Freihandelstheorie an ihren eigenen Ansprüchen und kann somit ihre Glaubwürdigkeit in Frage stellen. Die Vorstellung, dass der Staat eins zu eins für eine Umsetzung ökonomietheoretischer Konzepte wie der Freihandeltheorie zuständig ist, trifft jedoch wenig. Weil es dieser Form der Kritik an einer Staatstheorie fehlt, wird verkannt, dass der Staat in seiner Form und Funktionsweise einen »ideellen Gesamtkapitalisten« darstellt. Dieser kann sich durchaus auch gegen einzelne Kapitalfraktionen richten, wenn es erforderlich scheint.

Dies kann an einem Beispiel verdeutlicht werden. Ende März 2003 mussten die USA vor der WTO eine Niederlage im Streit um ihre 30prozentigen Schutzzölle auf Stahlimporte einstecken. US-amerikanische Stahlerzeuger und Gewerkschaften waren angesichts dieses Schiedsspruchs der WTO beunruhigt, Zuspruch kam hingegen von der stahlverarbeitenden Industrie, zu deren Vorteil fortan die staatliche Zollpolitik gestaltet wurde. Die Stahlunternehmer mussten sich ebenso wie die StahlarbeiterInnen damit abfinden, dass das Interesse der stahlverarbeitenden Industrie an billigem ausländischen Stahl Berücksichtigung fand. Hier wird deutlich, dass weder das gesamte Kapital ein Interesse an Freihandel hat, noch dass eine Kapitalfraktion unmittelbar die staatliche Politik bestimmen kann. Beide Momente kommen in der Freihandelskritik meist zu kurz.

Das Beispiel verdeutlicht darüber hinaus, dass der »Handelskrieg« um den Stahl ohne unmittelbare Gewalt und kriegerische Auseinandersetzungen auskam, er aber eine dritte, vermittelnde Instanz benötigte. Ausbeutung und Herrschaft findet heute nicht (mehr) in der Form von Raubzügen und Plünderungen statt, sondern in der Form des stummen Zwangs der ökonomischen Verhältnisse. Frei von persönlichen Abhängigkeits- und Herrschaftsverhältnissen wird in einer fortgeschrittenen kapitalistischen Gesellschaft das Privateigentum vom Staat garantiert, der relativ autonom von allen Klassen und Klassenfraktionen existiert. Auf nationaler Ebene formuliert erst der Staat so etwas wie ein allgemeines Interesse des Kapitals. Davor stehen die Einzelkapitale in Konkurrenz zueinander. Über Aushandlungsprozesse in der bürgerlichen Öffentlichkeit und im Diskurs um das »Allgemeinwohl« setzt der Staat ein allgemeines Kapitalinteresse nicht nur gegen, sondern auch mit Zustimmung der ausgebeuteten Klasse durch und bringt somit alle Interessen in einen herrschaftsförmigen Konsens.

Auf internationaler Ebene gilt ähnliches: Die Staaten verhalten sich ebenso wie die Bürger als formal freie und gleiche (Völkerrechts-)Subjekte zueinander. Das ‚globale Allgemeinwohl’, welches das Allgemeinwohl der mehr oder weniger kapitalistischen Einzelstaaten darstellt, wird unter der Führung einer Hegemonialmacht im Rahmen von internationalen Institutionen wie der WTO ausgehandelt und formuliert. In diesen politischen Formen organisieren die Staaten internationalen Wettbewerb. Damit ist klar, dass kapitalistische Ökonomie sowohl auf nationaler wie internationaler Ebene nicht ohne Staatlichkeit und politische Institutionen möglich ist. Markt und Staat sind zwar unterschiedliche gesellschaftliche Strukturierungsmodi. Eine Gegenüberstellung, bei der der Staat als positives Gegengewicht zum Markt dargestellt wird, verhindert jedoch nur die Etablierung einer emanzipatorischen Kapitalismuskritik.

Gewalt, Lug und Trug?
In einer dritten Form der Kritik, die sich selbst oft als radikal versteht, wird Freihandel als ideologischer Schein einer im Kern räuberischen und gewalttätigen Herrschaftsausübung gebrandmarkt. Außenwirtschaft wird auf unmittelbare Gewaltakte, Raubwirtschaft und Plünderungszüge reduziert. Diese Form der Kritik kann bis auf die Imperialismustheorien von Lenin und Rosa Luxemburg zurückverfolgt werden. Mit diesen begann eine Debatte um die »Vermachtung von Märkten«, gemäß der die Freiheit und Gleichheit im Tausch abgelöst wird von mächtigen Monopolen, die Monopolprofite durchsetzen – allem Gerede vom Freihandel zum Trotz mit protektionistischen Maßnahmen.

Diese Form antiimperialistischer Kritik findet sich bis heute in jeglicher Couleur, etwa bei Noam Chomsky, einer Leitfigur der globalisierungskritischen Bewegung. Er geht in anarchistischer Tradition affirmativ von bürgerlichen Formen von Freiheit und Gleichheit aus und kritisiert dann deren mangelhafte Umsetzung sowie die damit verbundenen personalen Herrschaftsverhältnisse. So heißt es in seinem Buch »War against People« (2003), Privatkonzerne seien eine »Form privatisierter Tyrannei«. Nach dem Ende des real existierenden Sozialismus scheine es keine »Alternative zu dem System eines von Staat und Konzernen betriebenen Merkantilismus [zu geben], das sich hinter Zauberformeln wie ‚Globalisierung’ oder ‚Freihandel’ versteckt.« Für Chomsky laufen vom Freihandel »vielleicht 70 Prozent der grenzüberschreitenden Transaktionen (die zu Unrecht ‚Handel’ genannt werden) tatsächlich innerhalb von zentral gesteuerten Institutionen« ab, und zwar »in Konzernen und Konzernverbindungen«, was eine »marktwidrige Wettbewerbsverzerrung« darstelle. Auch bei den so genannten Handelsabkommen gehe es »nicht um Freihandel«, sondern »diese Abkommen haben sehr stark gegen den Markt gerichtete Elemente«.

Der Markt erscheint somit bei Chomsky als Ideal und eben nicht als Instanz, die den nicht-personalen Zwang der ökonomischen Verhältnisse exekutiert. Gegenstand seiner Kritik ist nicht der Freihandel als konkrete Form bürgerlicher Tauschverhältnisse, sondern dessen angebliche Perversion durch einzelne Staaten, Konzerne und deren Tycoons. In bürgerlichen Gesellschaften ist die herrschende Form der Reproduktion jedoch weder durch persönliche Abhängigkeitsverhältnisse, noch durch unmittelbaren Einsatz von Gewalt bei der Abpressung eines Mehrprodukts gekennzeichnet (wie z.B. Leibeigenschaft, Sklaverei). Zwar existieren diese Formen immer noch, besonders in nicht stabilen bürgerlichen Gesellschaften. Aber immer dort, wo sie auftreten, benötigen sie eine besondere ideologische (oft religiöse) Legitimierung, die mit Freihandelstheorie in der Regel nicht viel zu tun hat.

In seiner Kritik der politischen Ökonomie konnte Marx erklären, wie sich Ausbeutung und Herrschaft unter bürgerlichen Verhältnissen darstellen. In seinem Hauptwerk Kapital zeigte er, dass sich diese nicht-personalen Verhältnisse gegenständlich in Ware, Geld, Kapital und anderen ökonomischen Formen ausdrücken. Das Problem an den oben skizzierten Formen der Kritik an Freihandelstheorie ist demgegenüber, dass die kapitalistische Produktionsweise in ihrem »idealen Durchschnitt« (Marx) gerade nicht Gegenstand von Kritik ist. Vielmehr wird ein kapitalistisches Ideal gegenüber einer schlechten, durchaus existenten Realität eingeklagt. Herrschaftskritisch mögen diese Formen der Kritik am Freihandel sein, mit einem avancierten kritischen Verständnis von Kapitalismus ist es dagegen nicht weit her.

Ingo Stützle

Eine kommentierte Literaturliste zu diesem Text ist unter www.iz3w.org zu finden.

Erschienen in: iz3w, Nr.289, 2005

Vorsicht Linksdings. Die neue Linkspartei und die außerparlamentarische Linke

Von Henrik Lebuhn und Ingo Stützle

Was die Gründung einer Oppositionspartei links der SPD angeht, hat die vorgezogene Neu-wahl in der parlamentarischen und in der außerparlamentarischen Linken eine Dynamik erzeugt, die noch im Juni dieses Jahres kaum jemand für möglich gehalten hätte. Binnen kürzester Zeit hat sich das Wahlbündnis zwischen PDS und WASG gegründet. Auch in der außerparlamentarischen Linken werden große Hoffnungen in das neue Parteiprojekt gesetzt. Öffentliche Diskussionsveranstaltungen zur Wahl stoßen selbst in der radikalen Linken auf breites Interesse. Wahlappelle werden formuliert, Allianzen geschmiedet und lebhaft über das Verhältnis zwischen außerparlamentarischer und parlamentarischer Linke debattiert. Das neue Projekt sorgt für Furore.
Ausgelassene Euphorie für das neue Linksdings ist also nicht nur bei der sozialen Basis der PDS und der WASG zu registrieren. Auch Teile der außerparlamentarischen und radikalen Linken, die schon lange keinen Sinn mehr in parteiförmiger Organisierung sehen, scheinen wieder Hoffnung in ein parlamentarisches Projekt zu setzen. Während die Entstehung der Linkspartei bei ersteren verständlicherweise begrüßt wird, bleibt die Zustimmung bei den letzteren eher befremdlich.

Parteien sind mächtige Realität
Es fragt sich: Entsteht hier tatsächlich eine “Partei neuen Typs”, die eine neue Dynamik in den Kampf gegen das neoliberale Einheitsdenken bringt? Worauf gründet sich die Hoffnung gerade der außerparlamentarischen Linken, dass sich die Linkspartei als erfolgreiches oppositionelles Parteiprojekt erweist und sich dabei auch noch positive Effekte für soziale Bewegungen ergeben? Kann aus einer antikapitalistischen und emanzipatorischen Perspektive davon ausgegangen werden, dass Parteipolitik im Parlament zukünftig dazu beitragen wird, die Verhältnisse grundlegend zu verändern? Völlig auszuschließen ist dies sicherlich nicht. Doch die Erfahrungen mit der PDS in den Landesregierungen und mit den Grünen seit 1998 auf Bundesebene geben allen Grund zur Skepsis. Und dabei hatten letztere in ihrer Gründungsphase zumindest noch den Wind einer starken sozialen Bewegung im Rücken. Die neue Linkspartei dagegen ist ein Projekt der Funktionäre.
Auch theoretische Überlegungen legen nahe, dass die jüngsten Anpassungsleistungen (ehemals) unbequemer Parteien an die parlamentarische Realität der Bundesrepublik mehr als nur historische Zufälligkeiten waren. Vielmehr muss die “materielle Dynamik organisatorischer Formen als dauerndes Problem” emanzipatorischer Politik unter bürgerlichen Verhältnissen begriffen werden. (1) Ein Grund für uns, bei der existenten Euphorie eine eher grundsätzliche Auseinandersetzung zu führen. Zwar wissen wir, dass auch vom Standpunkt einer staats- und kapitalismuskritischen Linken die Politik der Parteien als mächtige Realität akzeptiert werden muss. Das heißt jedoch nicht, den Parlamentarismus auch als Form der Politik, als Modus der gesellschaftlichen Konfliktaustragung und vor allem als Herrschaftsinstitution zu akzeptieren.

Staatszentrierheit vs. Bewegungsorientierung
Spätestens seit 1998 wird die systematische Entsicherung aller Lebens- und Arbeitsverhältnisse als gesamtparlamentarisches Projekt betrieben. Die Entstehung der Linkspartei ist vor allem Ausdruck eines in seiner Bedeutung wohl kaum zu unterschätzenden Bruchs zwischen SPD und Gewerkschaften. Zum ersten Mal in der Geschichte des DGB spricht dieser zur Bundestagswahl keine Wahlempfehlung aus. Mit ihrer unverfrorenen Politik zu Gunsten der Kapitalseite hat die SPD ihre eigene Basis mittlerweile zutiefst verunsichert. Und nicht nur die. Das Vertrauen in die Politik der großen Parteien scheint durchgängig erschüttert. Erstmals seit Gründung der Grünen im Jahr 1980 fühlen sich große Teile der Wähler und Wählerinnen mit ihren Interessen durch keine der etablierten Parteien mehr vertreten und suchen nach einer neuen Repräsentation im parlamentarischen System. Das neoliberale Einheitsprogramm der “virtuellen Gesamtpartei” (Agnoli) im Bundestag trägt Früchte.
Vor diesem Hintergrund kann die in den vergangenen eineinhalb Jahren zunächst in semi-klandestinen Zirkeln diskutierte und dann offensiv vorangetriebene Gründung einer Sozialstaatspartei also eigentlich gar nicht überraschen. Die neue Linkspartei könnte das Dilemma lösen, dass sich den von der Sozialdemokratischen Partei Enttäuschten schon seit geraumer Zeit keine wahlpolitische Alternative mehr bietet. Deutlich drückt sich die abgrundtiefe Verunsicherung vieler Wähler gegenüber allen parteipolitischen Alternativen in den Gründungsdiskussionen und -konzepten der Linkspartei aus.
Aber allein ein Vergleich der ersten Papiere zu einer Wahlalternative und der gegenwärtigen Ausrichtung der Linkspartei zeigt, dass Skepsis angesagt ist. So wurde im ersten Papier “Für eine wahlpolitische Alternative 2006” deutlich der Anspruch formuliert, “die intellektuellen und strukturellen Kapazitäten für Opposition zu stärken” und “nicht etwa ,regierungsfähig` zu werden”. Für viele Gruppen und Einzelpersonen aus dem außerparlamentarischen Spektrum knüpft sich unter anderem daran die Hoffnung, dass sich im Windschatten einer solchen Oppositionspartei auch wieder eine starke soziale Bewegung formieren, zumindest aber von einer Diskursverschiebung nach links profitieren könnte. Die Entstehung einer “Partei neuen Typs”, wie es sie in Italien mit der Rifondazione Comunista im Ansatz gibt, konnte man zumindest zeitweise für möglich halten. Auch wenn die Linkspartei sich dies nicht selbst auf die Fahne geschrieben hat.
Doch nach dem wahlkampftaktischen Zusammenschluss von WASG und PDS ist die neue Linkspartei von der Umsetzung des schwierigen Balanceaktes zwischen Stärkung außerparlamentarischer Gegenmacht und parlamentarischer Opposition, wie er in den frühen Strategiepapieren noch proklamiert wurde, leider meilenweit entfernt. In Berlin und Mecklenburg-Vorpommern sitzt die PDS derzeit mit in den Landesregierungen und setzt vor allem in Berlin massive Sozialkürzungen rigoros durch. Eine systematische Kommunikation mit Aktivisten aus sozialen Bewegungen kommt in der PDS kaum zu Stande, obwohl in der Partei des demokratischen Sozialismus seit Jahren über mehr Bewegungsnähe diskutiert wird.

Staats- und Kapitalismuskritik – Fehlanzeige
Bisher waren es vor allem Einzelpersonen, die sich trotz ihrer Parteipolitik den sozialen Bewegungen verbunden fühlten. Wann immer sie damit parlamentarisch unbequem wurden, gab’s Schelte von oben: So etwa im Mai 2002 als der Fraktionschef der PDS, Roland Claus, sich bei George Bush für den Protest von Ulla Jelpke, Winfried Wolf und Heidi Lippmann entschuldigte, die im Bundestag ein Transparent gegen den Krieg in Afghanistan entrollt hatten. Ein Schlag ins Gesicht der Antikriegsbewegung. Auch die WASG bleibt bislang ein Projekt “von oben”. Von einer systematischen Einbeziehung sozialer Bewegungen ist auch hier nicht viel zu sehen.
Genau dies sind jedoch die neuralgischen Punkte, wenn es um die zukünftige Entwicklung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse in Deutschland geht. Werden außerparlamentarische Selbstorganisationsprozesse weiter angeregt? Wird sich die allgemeine Unzufriedenheit mit neoliberalen Regierungsprogrammen ausdehnen und radikalisieren? Oder werden die jüngsten Ansätze einer Basisbewegung von der neuen Linkspartei einfach “geschluckt”. Sowohl in der PDS als auch in der WASG stoßen in dieser Hinsicht unterschiedliche Politikvorstellungen und Selbstverständnisse aufeinander. Der Konflikt zwischen eher traditionalistischen Parteikonzepten und einer zumindest programmatisch verkündeten Nähe zu sozialen Bewegungen ist noch nicht entschieden. Aber mit den populistischen Zugpferden Lafontaine und Gysi bedarf es kaum noch einer sozialen Verankerung in sozialen Bewegungen. Ein Vorteil für die Traditionalisten. Zudem werden mit der zunehmenden Integration von PDS und WASG in die parlamentarische Verantwortung die Chancen eher abnehmen, dass sich mit der neuen Linkspartei auch ein starkes und radikales Bündnis linker Kräfte herausbildet, das mehr als nur parlamentarische Beatmungen bewirkt.
Was also, wenn die neue Linkspartei am Ende doch nur “die richtige Vertretung” sozialdemokratischer Wählerinteressen im Bundestag anstrebt? Was, wenn die zaghaften Ansätze eines gewerkschaftlichen Bruchs mit der Sozialdemokratie nicht in ein breites Bündnis mit sozialen Bewegungen münden, sondern sogleich in der Bindung an eine neue sozialdemokratische Kraft aufgefangen werden? Dann wäre damit auch der Staatszentrismus der deutschen Gewerkschaften aufs neue zementiert. So würde sich bestätigen, was Bodo Zeuner bereits vor dreißig Jahren an der deutschen Gewerkschaftsbewegung kritisierte: “Dass das Fortdauern der SPD-Bindung vor allem mit einer in der bürgerlichen Gesellschaft von Beginn an angelegten, in der deutschen Geschichte besonders ausgeprägten Staatsfixierung der Arbeiterklasse erklärt werden kann. Damit ist die (…) Überzeugung gemeint, dass das Handeln des Staates für die eigene Lebenslage als Arbeiter wesentlich entscheidender ist als alle Formen des eigenen organisierten Widerstands gegen das Kapital.” (2) Der so skizzierte Staatszentrismus zeigt sich auch immer dann, wenn soziale Bewegungen nur als einsetzbares Druckventil staatlicher Politik verstanden werden und ihre Organisationsmacht auf die Funktion verkürzt wird, staatliche Programme durchzusetzen.
Entscheidender als das Wahlprogramm der Linkspartei ist daher die Frage, ob sich die Gewerkschaften weiterhin in ihrer institutionellen Form als konstruktiver Bestandteil des “Modell Deutschland” verstehen oder sich im Sinne eines Social Movement Unionism als Teil sozialer Bewegungen sehen, und außerparlamentarischen Druck auf alle Parteien ausüben werden. Diese Diskussion wird in linksgewerkschaftlichen Kreisen bereits seit längerem geführt, und auch Horst Schmitthenner, Vorstandsmitglied der IG Metall, klagt bei der Linkspartei ein, dass außerparlamentarische Bewegungen “als notwendiger Teil eines erfolgreichen alternativen Projekts, als Gleiche unter Gleichen, nicht nur anerkannt, sondern auch herbeigesehnt, ja sogar befördert werden”. (Freitag, 2.9.05)
Mit der Gründung der Linkspartei könnte jedoch genau diesem Projekt der Wind (wieder) aus den Segeln genommen werden. Bietet sich doch nun wieder eine parlamentarische und innerinstitutionelle Alternative zur Bewegungsorientierung an. Gewerkschaftliche Forderungen und Strategiebestimmungen würden mit einer engen Ausrichtung an der Linkspartei wieder parlamentarisch vorformiert; ihre Politik an Parteidebatten und Gesetzesvorschlägen orientiert, anstatt mit anderen außerparlamentarischen Kräften eine Gegenmacht aufzubauen. Zurzeit sieht es tatsächlich so aus, als wenn die Linkspartei bei großen Teilen der Gewerkschaftsbasis auf distanzlose Zustimmung stößt. Mit ihrem Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine läuft die Linkspartei hier offene Türen ein, und vieler Orts stößt sie dabei auf eine gefährliche linksnationalistische Stimmung. Eigentlich nichts Neues für deutsche Verhältnisse. Bereits seit den 1980ern wird die Gewerkschaftskrise vor allem zu Gunsten der weißen, männlichen Kernbelegschaft verarbeitet. Auch wenn mit den ersten Versuchen einer gewerkschaftlichen Organisierung von Wanderarbeitern im Rahmen der IG BAU eine zaghafte Öffnung zu verzeichnen ist. (vgl. ak 486)
Überraschender ist da schon, dass auch große Teile der radikalen Linken sich aufgeschlossen bis distanzlos gegenüber dem parlamentarischen Linksprojekt zeigen. Dies wiederum scheint uns vor allem ein Indikator dafür zu sein, wie weit der öffentliche Diskurs mittlerweile nach rechts gerutscht ist und wie isoliert staats- und kapitalismuskritische Positionen trotz Münteferings Manager-Hetze hier zu Lande derzeit sind. Angesichts bundesdeutscher Bewegungsarmut versprechen sich viele von einer Orientierung an dem neuen parlamentarischen Akteur zumindest minimale politische Erfolge – wie trügerisch diese auch immer sein mögen.
Für die Annahme, dass mit Integration in den parlamentarischen Alltag die Umtriebigkeit eines neuen Linksprojekts abnimmt, gibt es nicht nur empirische Hinweise, sondern auch theoretische Argumente. Damit ist freilich eine Ebene der Kritik angesprochen, die nicht nur auf die Linkspartei zutrifft, sondern “zeitlos” und unabhängig von den spezifischen politischen Konstellationen an allen parlamentarischen Projekten formuliert werden kann. Parteien als “extrastaatliche Teilverwaltungen” (Narr) unterliegen in ihrer parlamentarischen Politik engen Restriktionen. Diese sind vor allem durch zwei Momente bestimmt: zum einen durch ganz grundlegende Merkmale von Staatlichkeit in kapitalistischen Gesellschaften und zum anderen durch die spezifische Funktionsweise parlamentarischer Demokratie. Beiden Momenten sind Parteien unterworfen – auch wenn sie sich in der Rolle der Opposition befinden und das Personal für die Regierung möglicherweise gar nicht stellen (wollen).

Bewegungsnähe trotz Parteipolitik
Das “Formprinzip der Konkurrenzpartei” (Offe) legt eine Logik nahe, nach der die Parteien Wählerstimmen suchen, wo immer sie zu bekommen sind. Mit zunehmender Integration ins parlamentarische System enthalten sie sich dabei immer mehr der Bezugnahme auf klassenmäßige, konfessionelle oder sonst wie spezialisierte Partikularinteressen. Statt dessen wird der “Bürger als abstraktes Willenssubjekt, als ein mit Stimmrecht ausgestatteter Jedermann angesprochen”. (3) Unter dem (Konkurrenz-)Druck, möglichst große Wählergruppen ansprechen zu müssen, werden spezifische Interessen und (Klassen-)Konflikte ausgeblendet und eine Politik für “die Mehrheit der Bevölkerung” formuliert.
Deutlich zeigt sich dieser staatstheoretische Befund auch im Falle der neuen Linkspartei bzw. in den programmatischen Statements ihrer frisch gebackenen Funktionäre. So äußerte sich etwa ein Mitinitiator der WASG in Berlin zur Niederlage des Wahlbündnisses Regenbogen bei den letzten Hamburger Bürgerschaftswahl wie folgt: “Meiner Meinung nach hat Regenbogen einen grundsätzlich falschen, einen typisch linken Milieuwahlkampf geführt. Sie haben die Probleme nicht zugespitzt, die die Hamburger bewegen. Wenn man solche Punkte aufgreift, dann hätten auch Wahlalternativen Erfolgsaussichten.” (Neues Deutschland, 3.3.04) Dass “die Hamburger” in zentralen politischen Fragen vielleicht gar keine gemeinsamen Probleme haben, die die Wahlalternative zuspitzen könnte, sondern vielmehr unvereinbare Interessengegensätze, welche es zu benennen gilt, scheint dem Mitbegründer der WASG gar nicht in den Sinn zu kommen.
Dieses Diktat, im Namen des Allgemeinwohls alles besser machen zu wollen, dem alle Parteien in der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie unterliegen, hängt untrennbar mit den grundlegenden Bestimmungen von moderner, d.h. kapitalistischer Staatlichkeit zusammen. Als “ideeller Gesamtkapitalist” muss “der Staat” das kapitalistische Gesamtinteresse formulieren, um so die allgemeinen Produktionsbedingungen zu garantieren. Gerät die kapitalistische Akkumulation in die Krise, stehen die materiellen Reproduktionsbedingungen des “Steuerstaates” selbst auf dem Spiel. Stets bleibt er daher “Staat des Kapitals”, wie Johannes Agnoli es formulierte.

Formprinzip: Konkurrenzpartei
Freilich ist staatliche Politik nie durch die ökonomische Situation vollständig determiniert. Aus der allgemeinen Reproduktionserfordernis, die kapitalistische Verwertung aufrecht zu erhalten, lassen sich noch keine konkreten politischen Maßnahmen ableiten. Das kapitalistische Gesamtinteresse muss im politischen Prozess immer wieder neu ermittelt und der Konsens der Subalternen darüber organisiert werden. In diesem Zusammenhang verkörpert “das Parteiensystem (…) den Teil des regulativen Institutionenkomplexes, in dem antagonistische-plurale Interessen und Handlungsweisen in der Weise produziert, artikuliert, gerichtet, geformt, gefiltert und miteinander verbunden werden, dass ein relativ kohärentes, die gesamtgesellschaftliche Reproduktion gewährleistendes staatliches Handeln sowohl ermöglicht als auch legitimiert wird”. (4)
Das Feld staatlicher Politik ist also immer schon vorstrukturiert und nicht allein von Kräfteverhältnissen abhängig. Dabei lässt die Ermittlung des kapitalistischen Gesamtinteresses nicht nur Raum für konflikthafte Dynamiken, sondern bringt diese selbst hervor und macht ihre geregelte politische Bearbeitung möglich und nötig. Hier wird es auch für außerparlamentarische Akteure interessant. Denn natürlich können unterschiedlich politische Strategien der systemimmanenten Konfliktbearbeitung für die Betroffenen zu wesentlichen Verbesserungen ihrer Lebenslagen führen. Die Einführung von Hartz IV etwa unterlag natürlich keinem Sachzwang, sondern war den konkreten politischen Kräfteverhältnissen und Akteurskonstellationen geschuldet. In diese gilt es für eine außerparlamentarische Linke zu intervenieren. Zugleich müssen sich gerade Akteure, die sich mit fundamentalkritischen Positionen in die politische Arena begeben, der engen Grenzen staatlicher Politik bewusst sein. Für Hartz IV etwa gilt, dass die Ausweitung eines staatlich subventionierten Niedriglohnsektors und der Zwang zur (Lohn-)Arbeit gegen eine starke parlamentarische Linke vielleicht in dieser Form nicht durchzusetzen gewesen wäre. Zentral war in diesem Fall die Kooperation der Gewerkschaften. Doch globaler Standortwettbewerb, strukturelle Massenarbeitslosigkeit und leere Steuerkassen setzen auch einer Linkspartei enge sozialpolitische Handlungsspielräume, zumindest solange die Grundprinzipien kapitalistischer Vergesellschaftung nicht zur Disposition stehen. Sozialpolitik des bürgerlichen Staates bleibt eben immer die “Bearbeitung des Problems der Transformation von Nicht-Lohnarbeitern in Lohnarbeiter”. (5) Lohnarbeit als zentrale Vergesellschaftungsinstanz wird mit staatlicher Sozialpolitik nicht überwunden werden.
Dass der systemische Anpassungsdruck, den die Handlungsrationalität parlamentarischer Politik auf ihre Akteure ausübt, kaum zu unterschätzen ist, zeigt ein Blick auf die jüngste Vergangenheit bundesdeutscher Parteipolitik. Etwa auf die Grünen, die bis 1998 stets einen unversöhnlichen Pazifismus vertraten und nach den Bundestagswahlen – in “Regierungsverantwortung” wie es so schön heißt – den grundgesetzwidrigen Einsatz der Bundeswehr im Kosovo maßgeblich mittrugen.
Johannes Agnoli, der die Mechanismen der parlamentarischen Anpassung an realpolitische Erfordernisse bereits Ende der 1960er Jahre brillant beschrieben hat, meinte, dass eine emanzipative Politik im Parlament nur dann Aussicht auf Erfolg hätte, wenn die betreffende Partei eine konsequente Strategie der Fundamentalopposition verfolgt und dabei von einer starken sozialen Bewegung gegen den parlamentarischen Anpassungsdruck gestützt und gewissermaßen auf einer radikalen Linie gehalten wird. In einer solchen Situation bestimmt “der Kampf selbst, und nicht das konstituierte Regelsystem” die Politik. (6) Keine dieser Bedingungen ist heute erfüllt.
Doch der Parlamentarismus richtet seine Akteure nicht nur inhaltlich an den Erfordernissen der kapitalistisch-nationalstaatlichen Realität aus, sondern setzt auch seine eigenen Formen durch. Populismus, Konkurrenzverhalten, personalisierende und reduzierende Wahlkampfpolitik – all das bringt die Logik des Parlamentarismus selbst hervor; keine Partei, die dieses Verhalten nicht an den Tag legte. Ein linkes Projekt aber, das diesen Namen verdient, zeichnet sich durch das genaue Gegenteil aus: bedacht sollte es sein, aufklärerisch, strategisch und dabei doch kompromisslos.

Fallstricke des Parlamentarismus
Nun beabsichtigt die neue Linkspartei freilich gar nicht, kapitalismus- und staatskritische Positionen ins Parlament zu tragen. Doch auch wenn man die Linkspartei “nur” am eigenen Anspruch misst, bleibt Grund zur Skepsis. Worin besteht angesichts eines strikt sozialdemokratischen Programms eigentlich das kritische Potenzial der neuen Linkspartei? Selbst für den Fall, dass sich die Linkspartei “erfolgreich” durchsetzt, wird dies “bestenfalls” zur Aushandlung eines neuen Klassenkompromisses zwischen Kapital und Arbeit führen. Faule Kompromisse und Zugeständnisse wird es geben.
Sicherlich: Für die Betroffenen können parlamentarisch erkämpfte Freiräume und kleine Verbesserungen der Lebens- und Arbeitsverhältnisse einen wesentlichen Unterschied machen. Doch aus einer emanzipatorischen Perspektive muss es darüber hinaus immer auch darum gehen, ob und wie sich daraus weitergehende Proteste entwickeln und Gegenmacht aufgebaut wird. Es geht nicht nur um das Ausschöpfen von Handlungsspielräumen, sondern auch um die Frage, inwieweit damit bessere Rahmenbedingungen für weitergehende soziale Kämpfe geschaffen werden. Dass sich die Linkspartei dies zukünftig zur Aufgabe macht, ist aber alles andere als wahrscheinlich.
Zum einen, weil sie sich nach den Wahlen ihrer sozialen Basis erst einmal sicher sein kann. Zum anderen, weil eine kämpferische Klassenpolitik zu sperrig ist, um breite Wählerschichten anzusprechen. Eine Unterstützung der Linkspartei – entgegen aller Skepsis – muss deshalb ihren Maßstab darin finden, welche Relevanz die Verbesserung der Rahmenbedingungen für außerparlamentarische Politik für die Linkspartei selbst hat. Dies reicht von der politischen Ausrichtung der Rosa-Luxemburg-Stiftung über die öffentliche Distanzierung von widerständigen Praxen bis hin zur Rolle, die die Linkspartei in lokalen und regionalen Bündnissen spielen wird. Eine klare Ausrichtung auf mehrheitsfähige Politik wird außerparlamentarische linke Politik und Organisierung von Widerstand gegen die Verhältnisse erschweren.
Das Worst-Case-Szenario: Enttäuschte SPD-Wähler und Gewerkschafter, die noch im letzten Herbst erbost gegen Hartz IV auf die Straße gingen, werden ihre Interessen im Parlament vertreten und aufgehoben sehen. Die Notwendigkeit einer starken außerparlamentarischen Opposition wird vielen nicht mehr einsichtig sein und die eh schon schwachen Proteste gegen Arbeitszwang, Lohnsenkung und Sozialabbau endgültig erstickt. Am Ende könnte die außerparlamentarische Linke mit weniger dastehen als zuvor.
Wenn jetzt zu viele Hoffnungen auf die Linkspartei gesetzt werden, könnte dies, so unsere These, der außerparlamentarischen Linken – vom radikalen Flügel der Gewerkschaften über attac bis hin zu Antifa-Gruppen – möglicherweise mehr schaden als nützen. Um unsere beiden Kritiklinien noch einmal explizit zu machen:
1. Inhaltlich wird die Linkspartei im Bundestag bestenfalls sozialdemokratische und gewerkschaftliche Positionen vertreten, die der SPD abhanden gekommen sind. Von einem staats- und kapitalismuskritischen Projekt ist sie weit entfernt. Radikale Ecken und Kanten werden sich im parlamentarischen Prozess schnell abschleifen.
2. Aus Sicht einer grundlegenden Gesellschaftskritik bleibt die strategische Hoffnung, dass im Zuge der Neuformierung des parlamentarischen Feldes auch wieder eine starke soziale Bewegung entsteht. Doch weder löst die Linkspartei bislang ihren programmatischen Anspruch auf eine Zusammenarbeit und Stärkung sozialer Bewegungen ein, noch ist zurzeit eine außerparlamentarische Kraft in Sicht, die die Linkspartei auf einem oppositionellen Kurs halten könnte und so aus der neuen politischen Situation Kraft schöpfen könnte.
Statt Euphorie ist daher Skepsis angesagt. Wo es inhaltliche Gemeinsamkeiten gibt, ist gegen eine Zusammenarbeit zwischen parlamentarischer und außerparlamentarischer Linken wenig einzuwenden. Aktivisten aus sozialen Bewegungen und Anhänger der Linkspartei werden zukünftig – wie ja auch schon in der Vergangenheit – in vielen Bündnissen und Kampagnen am gleichen Strang ziehen. Nichts spricht dagegen und vieles dafür. Eine radikale Linke kann sich ihrer schwierigen Aufgabe nicht einfach so entledigen: Einfluss auf “Realpolitik” zu nehmen, und sich dabei weder institutionell inkorporieren zu lassen, noch in ein linkes Ghetto zurückzuziehen. Trotz globalisierungskritischer Bewegung und Hartz-IV-Protesten bleiben die Zeiten in Deutschland bewegungsarm. Gerade deswegen muss das außerparlamentarische Feld weiter bearbeitet werden, anstatt die Gründung einer Linkspartei abzufeiern.

Anmerkungen:
1) Wolf-Dieter Narr: Zum Politikum der Form – oder warum fast alle Emanzipationsbewegungen Herrschaft nur fortlaufend erneuern, allenfalls besänftigen, in: Leviathan, Heft 2/1980
2) Bodo Zeuner: “Solidarität” mit der SPD oder Solidarität der Klasse? Zur SPD-Bindung der DGB-Gewerkschaften, in: Prokla 26/1976
3) Claus Offe: Konkurrenzpartei und kollektive politische Identität, in: Roland Roth (Hg.): Parlamentarisches Ritual und politische Alternativen, Campus, Frankfurt am Main 1980
4) Jürgen Häusler/ Joachim Hirsch: Regulation und Parteien im Übergang zum “Postfordismus”, in: Das Argument 165/1987
5) zit. nach Stephan Lessenich: Vorwärts – und nichts vergessen. Die neue deutsche Sozialstaatsdebatte und die Dialektik sozialpolitischer Intervention, in: Prokla 116/1999
6) Johannes Agnoli: Wahlkampf und sozialer Konflikt, in: Transformation der Demokratie (Gesammelte Schriften, Bd.1), Freiburg/Br. 1990

Erschienen in: ak – analyse + kritik – Zeitung für linke Debatte und Praxis, Nr. 498 v. 16.09.2005, 33-34.

Zwischen Konsens und Konkurrenz. Überlegungen zum Zusammenhang von bürgerlichem Staat und Krieg

Weder “Empire” noch “Imperialismus” lautet die These, mit der sich der folgende Beitrag in die Diskussion um die theoretische Einordnung des Irak-Krieges einmischt. Die Frage lautet, wann und warum der kapitalistische Normalzustand des Handelskrieges in einen militärischen Konflikt umschlägt.
Es ist eine Debatte darüber entbrannt, mit welchem theoretischen Werkzeug der Irak-Krieg zu deuten sei: Mit den Thesen, die Negri/Hardt mit “Empire” vorgelegt haben oder, gerade weil diese am aktuellen Konflikt offensichtlich scheitern, mit einer “fundierten Imperialismustheorie” (exemplarisch Binger und dk. in ak 471). Beide Ansätze laufen allerdings ins Leere.
Der Zusammenhang von Krieg und Kapitalismus scheint selbst nicht mehr erklärungsbedürftig. Während die einen von einem “diffusen permanenten Kriegszustand” (Atzert/Müller, subtropen, Nr. 24) ausgehen, der die globalen Machtverhältnisse restrukturiert, ist für die anderen der Zusammenhang für den Kapitalismus konstitutiv, wird aber nicht erklärt.
Fast alle Kriege nach 1945 – ca. 200 an der Zahl – fanden in Ländern statt, in denen sich die bürgerliche Vergesellschaftung nicht etabliert und durchgesetzt hat. Die meisten Kriege finden in ehemaligen Kolonien statt. Krieg, so könnte die überspitzte und vorläufige These sein, hat mit bürgerlichem Staat erst einmal wenig zu tun.
Dennoch herrschen auch zwischen bürgerlichen Staaten “Kriege”: Handelskriege. Die USA haben Ende März 2003 eine Niederlage im Streit um die 30% Schutzzölle auf Stahlimporte vor der Welthandelsorganisation WTO einstecken müssen. Stahlerzeuger und Gewerkschaften seien angesichts des Schiedsspruchs der WTO beunruhigt. Zuspruch kam von der stahlverarbeitenden Industrie. (FAZ 28.03.03)
Die Handelskriege kommen ohne unmittelbare Gewalt und kriegerischen Auseinandersetzungen aus, benötigen aber eine dritte, vermittelnde Instanz. Ausbeutung und Herrschaft findet nicht in der Form von Raubzügen und Plünderungen statt, sondern in der Form des stummen Zwangs der ökonomischen Verhältnisse. Und diese ist konstitutiv für den Kapitalismus.
In einer kapitalistischen Gesellschaft verhalten sich die Menschen als WarenbesitzerInnen und damit als PrivateigentümerInnen zueinander. Frei von persönlichen Abhängigkeits- und Herrschaftsverhältnissen wird ihr Eigentum von einer dritten Instanz garantiert – dem Staat, der relativ autonom von allen Klassen und Klassenfraktionen existiert.
Erst in dieser Form entsteht so etwas wie ein allgemeines Interesse des Kapitals. Davor stehen die Einzelkapitale in Konkurrenz zueinander. Erst über Aushandlungsprozesse in der “bürgerlichen Öffentlichkeit” und dem Diskurs um das “Allgemeinwohl” formuliert der Staat schließlich ein allgemeines Kapitalinteresse. Dieses wird nicht nur gegen, sondern auch mit der Zustimmung der ausgebeuteten Klasse durchgesetzt. Der Staat muss alle Interessen in einen herrschaftsförmigen Konsens bringen. Die StahlproduzentInnen müssen sich ebenso wie die StahlarbeiterInnen damit abfinden, dass auch das Interesse der stahlverarbeitenden Industrie Berücksichtigung finden muss.
Die Staaten haben sich räumlich herausgebildet, als Nationalstaaten. Die Souveränität nach innen ist notwendig mit der Souveränität nach Außen, d.h. in Konkurrenz zu anderen Staaten verbunden. Dies ist die Sphäre des Völkerrechts, das auf der Anerkennung der Territorialstaaten als formell gleiche, als territoriale Rechtssubjekte beruht. Die Gleichheit bezieht sich aber allein auf das Grundrecht der Achtung und beschränkt sich auf die Respektierung der Souveränität als Form. Inzwischen wird selbst diese nicht mehr garantiert. Aber jedes Gerede vom Souveränitätsverlust übersieht, dass der (National-)Staat zum einen nie souverän gegenüber seiner ökonomischen Grundlage und die Souveränität nach außen immer nur eine der Form nach war.

Handelskrieg als kapitalistischer Normalzustand
Das Völkerrecht kann als Versuch der Rationalisierung von Herrschaftsverhältnissen zwischen den Staaten verstanden werden. Damit sind die internationalen Institutionen aber nicht Zweck an sich, sondern Mittel, die den “äußeren” sozialen Frieden garantieren sollen. Auch hier gilt, dass sich in einem konflikthaften Prozess eine Art kapitalistisches Allgemeininteresse herausbildet – und das nicht erst seit der Entdeckung des “Empire”. So 1900, als die USA, Großbritannien, Japan, Frankreich und Deutschland gemeinsam in China den “Boxer”-Aufstand niederschlugen, um ihrem gemeinsamem Interesse an der Existenz und Sicherung ihrer Kolonialherrschaft Geltung zu verschaffen.
Mit der Globalisierung hat sich die räumliche Struktur der Produktion, der Arbeitsteilung und damit der Wertschöpfungsketten grundlegend verändert – damit auch die Kräfteverhältnisse der Kapitalfraktionen in den Nationalstaaten. Die Staaten internationalisieren sich sozusagen von innen heraus. Aber dk. (ak 471) liegt mit einem seiner Bausteine – Imperialismus als globalisiertes und dynamisches Kapitalverhältnis – für eine Imperialismustheorie in so weit falsch, als hiermit überhaupt nicht geklärt ist, warum sich diese Dynamik kriegerisch äußern muss. Es müsste gezeigt werden, warum die Form des Handels der Reproduktion des Kapitalverhältnisses nicht mehr adäquat ist.
Vor diesem Hintergrund können die Argumente, warum ein Krieg wie der gegen den Irak geführt, diskutiert werden. Ich werde hier zwei herausgreifen und kurz skizzieren.
Nationalstaat und Völkerrecht
Erst müsste begründet werden, warum Öl so wichtig ist. Auch wenn es banal scheint, geht es im Kapitalismus nicht um den Stoff, sondern um Profit. Öl bildet die stoffliche Grundlage für den Großteil der gegenwärtigen Warenproduktion. Fünf Länder (USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien) verbrauchen über 50% des weltweit geförderten Öls. Es muss also eine allgemeine Zugänglichkeit gewährt werden, um die Verwertung zu garantieren. Das bedeutet aber nicht, dass die USA per se an einem niedrigen Ölpreis interessiert wären. Vielmehr geht es um die Kontrolle des Marktes. Ein zu niedriger Ölpreis würde die Förderung in Alaska und Texas unprofitabel machen. Auch hier muss ein Kompromiss zwischen Kapitalfraktionen gefunden werden. Ebenso würde ein zu niedriger Ölpreis in den ölfördernden Ländern soziale Konflikte auslösen, die die Instabilität in der Region weiter erhöhen würde. Ähnliches ließe sich für einige Länder der “Koalition der Willigen” skizzieren. Auch hat es wenig Sinn immer wieder auf die Bush-Administration und ihre Verbindung zu der Ölindustrie zu verweisen. (1) Nach den Ausführungen sollte klar sein: Der bürgerliche Staat ist eine “subjektlose Gewalt” die keine unmittelbaren ökonomischen Interessen durchsetzen kann. Dies ist nicht die Form bürgerlicher Politik.
Gegenüber Europa als Wirtschaftsblock sieht die Sache etwas anders aus. Seit den 70er Jahren ist die Rolle des Dollars als Weltgeld geschwächt. Bereits der Iran handelt sein Öl in Euro und auch der Irak hat im Jahr 2000 die beschränkten Lieferungen in Euro abgerechnet. Der Dollar verliert somit eine wesentliche Basis als Öl-Handelswährung. Auch China will seine Devisen in breitem Rahmen in Euro tauschen und damit die Abhängigkeit vom Dollar verringern. Die Schwächung des Dollars als Weltgeld hätte negative Folgen für eine monetäre Durchdringung des Weltmarktes ohne kriegerische Mittel. Auch könnte sich die USA kein derartiges Zahlungsbilanzdefizit leisten, wie sie es zur Zeit aufweisen.
Ein weiteres Argument, das immer wieder fällt, ist der Drang der USA zur Weltherrschaft in Form eines harten Unilateralismus. (2) Ein strukturelles Merkmal der Weltordnung ist das Streben der bürgerlichen Staaten nach Ausdehnung von Handlungsoptionen. Aber mit ihrem “Beinahe-Alleingang” haben die USA gezeigt, dass sie keine Hegemonialmacht sind. Weder militärische noch ökonomische Macht reichen aus, um die Hegemonie eines Staates zu konstituieren. Ein Hegemoniekonzept sollte der traditionellen Imperialismustheorie gerade deshalb überlegen sein, weil es das Augenmerk auf das strategische Verhalten der dominanten Staaten richtet und auf die Art und Weise, wie die Interessen anderer Akteure berücksichtigt und eingebunden werden.
In der Gruppe der “Willigen” waren entweder die Staaten vertreten, die von dem USA vollkommen abhängig sind oder die, die sich daraus einen strategischen Vorteil erhoffen. Die osteuropäischen Staaten ebenso wie Spanien wollen die Dominanz von Frankreich und Deutschland in der EU brechen. Großbritannien hat durch sein Verhalten klar gemacht, dass die EU ihre “Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik” nicht ohne Zustimmung aus London realisieren kann.
Für die USA wie für Frankreich und Deutschland gilt, dass ihre Hegemonie Risse bekommen hat. Die Initiative von Belgien und Frankreich, einen gemeinsamen Außenminister zu installieren und die gemeinsame Kriegsfähigkeit voran zu treiben, zeugt nicht nur von dem Versuch, die eigenen Interessen gegenüber den USA nachhaltiger vertreten zu können. Es bedeutet auch eine institutionalisierte Form der Souveränität, aus der einzelne EU-Mitglieder nicht mehr einfach ausscheren können.
Die “normale” Form der Außenbeziehung bürgerlicher Staaten ist die des Außenhandels und nicht die des Krieges. Das bedeutet allerdings nur eine andere Form von Ausbeutung und Herrschaft. Auf Grund des expansiven und krisenhaften Charakters der kapitalistische Produktionsweise ist der Krieg dem Kapitalismus keineswegs äußerlich. Die These, dass bürgerliche Staaten mit Kriegen nichts zu tun haben, muss zurückgenommen bzw. präzisiert werden.
“Neue” Kriege zwischen Öl und Hegemonie
Allerdings muss gezeigt werden, warum eine “normale” Form zwischenstaatlicher Beziehung nicht bzw. nicht mehr möglich ist. Es können zumindest drei Formen von Krieg festgehalten werden. 1) Kolonialisierungskriege, die nicht-kapitalistische Gesellschaftsformationen in die warenförmige Reproduktion gewaltförmig integrieren wollen. 2) Kriege, die geführt werden, weil die Außenhandelsbeziehungen, die für die interne Reproduktion notwendig sind, nur über Gewalt aufrecht erhalten oder hergestellt werden können. Kriege benötigen immer eine materielle und soziale Grundlage. Diese sind nicht auf ökonomische Interessen zu reduzieren, sondern umfassen auch die Erlangung breiterer machtpolitischer Handlungsoptionen innerhalb des bestehenden Machtgefüges: 3) besteht der Kapitalismus als Weltsystem aus verschiedenen, hierarchisch strukturierten kapitalistischen Produktionsweisen. Dominante setzen sich in der Konkurrenz durch. Verweigern sich Staaten bei der Durchdringung, findet diese kriegerisch statt.
Wenn die AnhängerInnen von Negri und Hardt darüber klagen, dass die USA nicht auf der Höhe des “Empire” seien, so ist das skurril. Gleichzeitig sollte aber in der Linken endlich auch eingeräumt werden, dass auf eine “fundierte Imperialismustheorie” nicht “zurückgegriffen” werden kann. Das bedeutet keineswegs eine Absage an theoretische Anstrengungen, sondern unterstreicht vielmehr deren Notwendigkeit.

Ingo Stützle

Anmerkungen:

1) Ein solches leninistisch verkürztes Imperialismus-Verständnis ist mit “Empire” noch lange nicht überwunden (u.a. “Empire”, S. 241ff.). So verweist bspw. Negri auf die Interessen der “republikanischen Gruppe” um Bush, oder werden die globalen Institutionen wie IWF und WTO als “Instrumente” der Multis dargestellt (subtropen, Nr 23)..
2) “Amerikas Unilateralismus bedeutet weit mehr als eine imperiale Neuordnung der Welt – es geht um die absolute (sic!) Weltherrschaft.” Mohssen Massarrat, Freitag 7.3.03.

Erschienen in: ak – analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis, Nr.472 v. 18.04.2003

Von Stellungs- und Bewegungskriegen – Kämpfe in und um den Staat. Eine Einführung in die materialistische Staatstheorie

Dem Staat begegnet man überall: auf Demos, im Sozialamt oder in der Universität. Deshalb haben wir immer schon bestimmte Vorstellungen darüber, was er ist, welche Funktionen er hat und wie er zu anderen gesellschaftlichen Momenten in Beziehung steht. Wenn der Krieg gegen den Irak darauf zurückgeführt wird, dass bestimmte Regierungsfunktionäre der USA in er Ölindustrie beschäftigt sind oder waren, so steckt dahinter die Vorstellung, dass bestimmte Einzelkapitale unmittelbaren Einfluss auf die Staatsregierung haben und die Regierungsgeschicke lenken. Wenn in der globalisierungskritischen Bewegung eingeklagt wird, der Staat solle endlich seiner Funktion als Garant des Allgemeinwohls für alle BürgerInnen nachkommen, wird ihm eine Funktion unterstellt, die es nur zu verwirklichen gilt: wenn nötig durch Druck von der Straße. Das sind nur zwei Beispiele. Das politische Bewusstsein ordnet die gesellschaftliche Wirklichkeit nach bestimmten Vorstellungen von Staat, auch wenn keine Theorie vom Staat zugrunde liegt. (1)
Genau das ist der Einsatzpunkt für eine theoretische Beschäftigung mit der Form Staat und seinen Funktionen. Da trotz aller verstreuten, mehr oder weniger hilfreichen Anmerkungen eine Theorie des Staates bei Marx nicht zu finden ist, beginnt eine ausdrücklich materialistische Staatstheorie erst mit Antonio Gramscis Analysen der Oktoberrevolution und der Niederlage der revolutionären Prozesse in Westeuropa. Seine Kritik der Politik hat bis heute nichts an Aktualität verloren.

Gramsci – Schützengräben im Klassenkampf

Die zentrale Fragestellung im Werk von Antonio Gramsci (1891-1937) war: Warum gelang die Revolution in einem zurückgebliebenen Land wie Russland, nicht aber in den wirtschaftlich entwickeltsten Staaten des kapitalistischen Westens? Wie war diese Niederlage möglich? Die Niederlage der italienischen Arbeiterbewegung musste er unter den Faschisten am eigenen Leib erfahren: er wurde ins Gefängnis gesteckt und starb an den Folgen der Haft.
Das Scheitern der revolutionären Bewegungen im Westen macht für ihn die Schwachpunkte der gängigen Revolutionstheorien deutlich. Er kritisiert den ”revolutionären Attentismus” der II. Internationale, die auf den großen und alles entscheidenden “Kladderadatsch” (Bebel) wartete. Aber in ihrer Hoffnung, die russische ”Revolution gegen das Kapital” lasse sich einfach auf den Westen übertragen, werden auch die theoretischen Ausführungen der linksradikalen Organisationen der komplexen Situation nicht gerecht. Deshalb versucht Gramsci, die begriffliche Apparatur der marxistischen Theorie zu erweitern. In seiner Staatstheorie kommt dem Begriff Hegemonie ein zentraler Stellenwert zu. Darunter versteht er die Fähigkeit der herrschenden Klassen, ihre Interessen so durchzusetzen, dass sie von den subalternen Klassen als Allgemeininteressen anerkannt werden und sich ein ”aktiver Konsens der Regierten” zu einem “historischen Block” materialisiert. Die Hegemonie der herrschenden Klasse in einem historischen Block bedarf allerdings eines realen, materiellen Kompromisses und ist kein bloßer ideologischer Schein. Beispielhaft für einen solchen historischen Block war der sozialstaatliche Klassenkompromiss in der Nachkriegszeit auf der Basis von Fordismus und Keynesianismus.
Den ”Ort”, an dem soziale Kräfte um Hegemonie ringen, bezeichnet Gramsci als Zivilgesellschaft. Damit meint er Institutionen wie Familie, Schule, Kirchen, Militär, und politische Gruppierungen, aber auch Sportverbände und andere Vereinigungen des “bürgerlichen” Lebens. In all diesen Institutionen materialisiert sich die herrschende Ideologie. Deshalb ist die Zivilgesellschaft kein neutrales Terrain, sondern herrschaftsförmig organisiert. Im Blick auf die Zivilgesellschaft unterscheidet Gramsci zwei Modalitäten staatlicher Macht: den Staat im engeren Sinn, d.h. den Regierungsapparat und die politisch-juridischen und repressiven Organisationen (“politische Gesellschaft”), und den “erweiterten” oder integralen Staat, der sich aus der ”politischen Gesellschaft” und der “Zivilgesellschaft” zusammensetzt.
Von dieser Unterscheidung her analysiert er dann den Sieg der Oktoberrevolution und die Niederlage der Revolution in Westeuropa. Während in Russland ein Zentrum der Macht erstürmt und zerstört werden konnte, bestand ”im Westen zwischen Staat und Zivilgesellschaft ein richtiges Verhältnis, und beim Wanken des Staates gewahrte man sogleich eine robuste Struktur der Zivilgesellschaft. Der Staat war nur ein vorgeschobener Schützengraben, hinter welchem sich eine robuste Kette von Festungen und Kasematten befand” (GH 4, S. 874). Reduzierte sich im Osten Staatsmacht auf repressive Gewalt, war Staatsmacht im Westen ”Hegemonie, gepanzert mit Zwang” (GH 4, S. 783).

Die Krise des Marxismus –
die Interventionen Althussers

Nach dem II. Weltkrieg kam es im Kalten Krieg zu einer rasanten Restauration kapitalistischer Verhältnisse, während die etablierten kommunistischen Parteien vollständig unter der Hegemonie der KPdSU und damit des Stalinismus gerieten. Die ging so weit, dass sich die französische KP der “Entstalinisierung” der KPdSU nach dem XX. Parteitag widersetzte. Da sie gleichzeitig während der antikolonialen Kämpfe in Algerien keine klare Position bezog, führte sie die traditionelle Arbeiterbewegung in die Stagnation. Auf diese Krise antwortete Jean-Paul Sartres existenzialistischer Marxismus, der auf subjektives Handeln und eine aktivistische revolutionäre Praxis setzte. Die KPF öffnete sich dieser Herausforderung erst spät und orientierte sich in internen Debatten im Rückgriff auf den frühen und humanistischen Marx. Dagegen wollte Louis Althusser (1918 – 1990) Marx mit Erkenntnissen aus Psychoanalyse und Strukturalismus konfrontieren. Die Folge war eine Schule machende Neulektüre des Kapital, die bis heute zahlreiche ideologie- und subjekttheoretische Arbeiten inspiriert.

Ideologie und ideologische Staatsapparate (IISA)

Althusser greift in seinem programmatischen Aufsatz ”Ideologie und ideologische Staatsapparate” (IISA) die Ideen Gramscis auf. Ihm geht es um die Frage, wie sich die kapitalistischen Produktionsverhältnisse in den (Alltags-) Ideologien der Subjekte reproduzieren. Die erste begriffliche Unterscheidung, die er trifft, ist die zwischen Staatsmacht und Staatsapparat. Der Staatsapparat ist relativ autonom vom Besitz der Staatmacht. Ferner unterscheidet er zwischen “repressiven” und “ideologischen Staatsapparaten” (RSA bzw. ISA). Funktionieren die ISA ”in erster Linie” mit Ideologie, arbeiten die RSA primär mit Gewalt. Dabei ist ihm bewusst, dass es keine ”reinen” Apparate gibt und sich die Unterscheidung von RSA und ISA nur im Blick auf ihre jeweils dominierende Funktionsweise treffen lässt.
Die Funktion der ISA ist es, obligatorische Verhaltensweisen hervorzubringen. Althusser konzipiert dies als Anrufung der Individuen als “Subjekte”. Subjekt ist, wer sich der ideologischen Anrufung freiwillig unterwirft und ihre “Rituale” befolgt. Der Machteffekt der Anrufung besteht darin, dass sich ein Individuum gerade dann für “frei” hält, wenn es sich als Subjekt erfährt. Auch die Parteien der ArbeiterInnenbewegung seien Elemente der ISA: Die Ideologie der Arbeiterparteien rufen die Mitglieder als ”Kämpfer-Subjekte” an (Althusser 1977, S. 164).
Während Althusser in IISA selbst von einer marxistischen Staatstheorie spricht, tritt er im Rahmen einer Konferenz, die sich mit der ”Krise des Marxismus” herumschlägt, die Flucht nach vorne an: ”Wir können es offen sagen: Es gibt eigentlich keine tatsächliche ‚marxistische Staatstheorie’” (Althusser 1978, S. 65). Eine Reihe von Faktoren trugen zu dieser Feststellung bei: Der Staat war in den realsozialistischen Staaten alles andere als abgestorben und in der Konfrontation mit dem stalinschen Erbe standen die kommunistischen Parteien – allen voran die italienische KPI und die französische KPF – unter Legitimationsdruck; nicht zuletzt auch aufgrund der neuen sozialen Bewegungen, die die Form Partei als solche in Frage stellten. Deshalb fordert Althusser im Anschluss an Marx’ ”Kritik der Politischen Ökonomie” eine ”Kritik der Politik” (ebd., S. 73).

Nicos Poulantzas – Der Staat als soziales Verhältnis

Anfang der 60er Jahre kam der in Griechenland geborene Poulantzas (1936 – 1979) nach München, um zu promovieren. Wegen der dort noch sehr von nationalsozialistischen Ideen geprägten Atmosphäre siedelte er schon bald nach Paris über. War er zu dieser Zeit noch vom exististenzialistischen Marxismus Sartres geprägt, weil dieser Handlung, Subjekt und soziale Auseinandersetzungen ins Zentrum rückte, näherte er sich ab Mitte des Jahrzehnts den Positionen Althussers an und entwickelt schließlich immer stärker eigene Positionen. Nach den Mairevolten von 1968 rezipierte er nicht nur Schriften, die die Frage von Massenbewegung und Kulturrevolution einbezogen, sondern beschäftigte sich auch mit anderen Theorien – vor allem mit den Arbeiten Foucaults.
Im Gegensatz zu Althusser sind die Arbeiten von Poulantzas stärker von strategischen Fragestellungen durchzogen. Im Mittelpunkt steht der Bezug der Klassenkämpfe zur konkreten Staatlichkeit einerseits unter faschistischer oder diktatorischer Herrschaft, andererseits in den parlamentarischen Demokratien. Seine theoretische Anstrengung gilt dem Verständnis der letzteren und der Frage nach einer adäquaten kommunistischen Praxis. Er kritisiert, dass alle bisherigen revolutionären Versuche die bürgerlichen Freiheitsrechte beseitigt hätten, eine emanzipatorische Linke diese aber nicht leichtfertig zur Disposition stellen dürfe. Stärker als Althusser bezieht er die neuen sozialen Bewegungen und die Krise der kommunistischen Parteien explizit in die theoretische Auseinandersetzung ein. Sein sehr viel konsequenterer Bruch mit dem immer noch verbreiteten marxistischen Dogmatismus zeigt sich in seiner Ablehnung zentraler Begriffe wie Basis/Überbau oder ”Diktatur des Proletariats”. Im Gegensatz zu anderen zeitgenössischen Theoretikern stellen diese Begriffe für ihn schon damals Sackgassen dar.

Der Staat als materielle Verdichtung sozialer Kräfte

Ausgangspunkt seiner Staatstheorie ist die Kritik an zwei grundlegenden Vorstellungen: Der Staat als Sache/Instrument und der Staat als Subjekt. Die letztere schreibt dem Staat eine eigene Rationalität zu oder konzipiert diesen als Träger und Durchsetzungsform der Vernunft. Eine größere Rolle spielen aber die Vorstellungen, die den Staat als neutrale Sache konzipieren, deren Gebrauch vom Willen des Besitzers abhängig ist. Diesem Kurzschluss entgeht Poulantzas, indem er im Anschluss an Althusser zwischen Staatsapparaten und Staatsmacht unterscheidet. Allerdings lehnt er Althussers Vorstellung des Staatapparats als “Festung” ab. Der kapitalistische Staat dürfe nicht ”als ein sich selbstbegründendes Ganzes” begriffen werden, “sondern, wie auch das ‚Kapital’, als ein Verhältnis, genauer als die materielle Verdichtung eines Kräfteverhältnisses zwischen Klassen und Klassenfraktionen, das sich im Staat immer in spezifischer Form ausdrückt” (Poulantzas 1978, S. 119). Der Staat ist ein Kampffeld, das sich in formierten Institutionen verkörpert.
Den Zusammenhang von Politik und Ökonomie denkt Poulantzas immer als eine wechselseitige Konstitution. So ist der Staat durch seine Abwesenheit in der Ökonomie anwesend und ermöglicht gerade durch seine Abwesenheit die Konstitution einer autonomen ökonomischen Sphäre. Dabei kommt der Politik gegenüber der Ökonomie in so weit das Primat zu, als der Staat die zentrale Funktion hat, den Zusammenhalt der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft zu organisieren: nur er kann die langfristige Reproduktion der kapitalistischen Gesellschaft garantieren. Zwar sind damit deren grundlegenden Widersprüche und Krisenhaftigkeit nicht beseitigt, doch gibt der Staat eine Form vor, in der sich diese bewegen können. So ist der Staat in allen Kämpfen als Struktur präsent, während zugleich die Kämpfe stets Kämpfe im Staat sind. Die Beziehung zwischen Staat und Ökonomie ist folglich keine äußerliche und der Staat selbst das zentrale Feld gesellschaftlicher Widersprüche. Indem er der ”Ort” ist, an dem ein von allen Klassen relativ unabhängiges, herrschaftsförmiges Kompromissgleichgewicht organisiert wird, gewinnt der Staat eine ”relativen Autonomie” gegenüber allen Klassen. Genauer: erst der Staat organisiert die Bourgeoisie zur Klasse. Zuvor stehen die bürgerlichen Klassenfraktionen in Konkurrenz zueinander und stellen dabei den jeweils erreichten Klassenkompromiss in Frage. Je stärker die Widersprüche zwischen den Fraktionen werden, desto stärker ist die Autonomie des Staates. Da der Kompromiss auch die subalternen Klassen einschließen muss, sind auch sie und ihre Interessen im Staat präsent. Deshalb schließt der Kompromiss unter anderem materielle Zugeständnisse an die Subalternen ein, die dadurch aber gerade nicht zur Klasse organisiert, sondern untereinander fragmentiert und gespalten werden.
Allerdings drücken sich die Kämpfe immer nur vermittelt, nie unmittelbar im Staat aus. Ihre Vermittlung denkt Poulantzas immer im Sinne einer Repräsentation: Etwas, das vorhanden ist, wird durch die Repräsentation politisch neu formatiert, d.h. modifiziert und organisiert. Auch deshalb ist der Staat kein ”monolithischer Block ohne Risse” (ebd., S. 122), sondern durch Klassenwidersprüche gespalten, in die sich die Klassen im Maß ihrer Macht einschreiben. Das findet seinen Ausdruck dann auch im unterschiedlichem Gewicht und in den Grenzlinien zwischen den Staatsapparaten.
Ist der Staat in vielen marxistischen Ansätzen stets Klassenstaat, geht Poulantzas einen entscheidenden Schritt weiter und weist in seinem Buch Staatstheorie ausdrücklich darauf hin, dass der Staat nicht nur durch Klassenkämpfe, sondern durch verschiedene soziale Kämpfe bestimmt wird. Ohne genauer darauf einzugehen, hebt er dabei die Geschlechterverhältnisse hervor. Er verweist auf die Probleme, vor die die neuen sozialen Bewegungen die traditionellen Arbeiterparteien stellen, die aufgebaut sind, als könne die Gesellschaft auf die Fabrik reduziert werden. Jedoch geht er nicht so weit, auf die Autonomie der Bewegungen zu setzen: ”Ich halte es durchaus für notwendig, dass diese sozialen Bewegungen eine reale Autonomie besitzen, aber zugleich müssen die Parteien der Linken in ihnen auf geeignete Weise präsent sein. Allerdings macht gerade diese Forderung eine radikale Umwandelung eben dieser Parteien erforderlich.” (1979, S. 135)

Nützliche Gegengifte

Da materialistische Staatstheorie die Probleme emanzipatorischer Praxis vor dem Hintergrund konkreter Kämpfe und der spezifischen Verfasstheit kapitalistischer Produktionsweise bearbeitet, dürfen ihre konkreten Erkenntnisse nicht einfach verallgemeinert werden. Statt dessen müssen sie in ihrer Besonderheit behandelt werden und immer nach ihren Konstitutionsbedingungen und ihrer Verallgemeinerbarkeit hin befragt werden. An den Fragen und Problemen, an denen die genannten Autoren stehen und in denen sie stecken geblieben sind, gilt es auch in den heutigen Debatten anzusetzen. Um so erstaunlicher aber ist es, dass weder Hardt/Negri (2002) noch Holloway (2002) auf Poulantzas Staatstheorie eingehen. Beide haben die Tendenz zu vereinfachenden, instrumentalistischen Staatsvorstellungen, in denen wichtige Differenzierungen wieder verloren gehen. Diese Differenzierungen dürfen umgekehrt nicht dazu führen, die Herrschafts- und Gewaltförmigkeit der staatlichen Apparate auszublenden, wie dies historisch sowohl in den diversen Stamokap-Theorien als auch in den Vorstellungen vom ”Marsch durch die Institutionen” der Fall war. In sträflicher Weise wurde vor allem in den 90er Jahren der Herrschaftscharakter der kapitalistischen Staaten in den Theorien von Global Governance und der Weltbürger- und –zivilgesellschaft ausgeblendet. Als Gegengift zu solchen Ansätzen, die den Staat als ein grundsätzlich herrschaftsfreies Terrain begreifen, ist die Lektüre der hier vorgestellten Autoren nach wie vor unverzichtbar.

Ingo Stützle ist Aktivist bei FelS (Für eine linke Strömung) in Berlin und arbeitet dort in der AG Sozialer Widerstand.

Der Artikel wurde von der Redaktion stark gekürzt. Die Langfassung ist unter www.akweb.de/Fantomas nachzulesen.

Anmerkung:
1) Die arranca!-Redaktion (2002) hat das Verhältnis an mehreren Punkten durchdiskutiert: Organisationsfrage, Existenzgeld, Staats-Antifa und Globalisierungskritik.

Literatur:
arranca!-Redaktion (2002): Staatsangelegenheiten, in: arranca! Für eine linke Strömung, Nr. 24
Althusser, Louis (1977): Ideologie und ideologische Staatsapparate, Hamburg
Althusser, Louis (1978): Die Krise des Marxismus, Hamburg
Gramsci, Antonio (1990ff.): Gefängnishefte, 10 Bde., zitiert: GH, Hamburg
Hardt, Michael / Negri, Antonio (2002): Empire. Die neue Weltordnung, Darmstadt
Holloway, John (2002): Die Welt verändern ohne die Macht zu übernehmen, Münster
Poulantzas, Nicos (1978): Staatstheorie, Hamburg
Poulantzas, Nicos (1979): ‘Es geht darum, mit der stalinistischen Tradition zu brechen!’, in: Prokla 37, 127 – 140.

Erschienen in: fantômas, Nr.5, 2004, 7-10.